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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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im kleinen Bergdorf Chambuet die Leiche einer vierundsechzigjährigen Frau, der mehrmals in den Kopf und in den Hals gestochen worden war. Anfang August versuchte er, zwei Jungen in den Wald zu locken, aber sie liefen weg, als ihre ältere Schwester nach ihnen rief.
    Am 21. August, einem Samstagmorgen, kam ein junger Mann im Dorf Saint-Ours, nördlich des Kurortes Aix-les-Bains, der die einzige Kuh der Familie auf die Weide gebracht hatte, nach Hause und fand seine ältliche Mutter tot auf dem Küchenboden vor. Ihre Kehle war aufgeschlitzt und ihr Kleid bis zur Brust hochgeschoben.
    »Wenn es je ein Verbrechen gegeben hat, das mir leidtut, dann dieses«, schrieb Vacher später. »Denn die Menschen in dieser Region sind so zuverlässig und gastfreundlich.«
    Das Dorf Bénonces liegt auf einer schrägen Hochebene in den Ausläufern der Alpen, östlich der Stelle, an der das flache Rhonetal auf hohe Felsvorsprünge trifft. Hier beherrscht die Vertikalität das Bild der Natur. Wiesen, die im Tal breit und eben sind, sind winzig klein und stehen in verrückten Winkeln zueinander, sodass sie von den Feldern im Tal aus einen wunderbaren Anblick bieten. Die Steinhäuser haben steile Dächer mit roten Ziegeln.
    Wie viele Dorfbewohner im Hochland lebten die 450 Einwohner von ­Bénonces in friedlicher Abgeschiedenheit. Es gab keinen Telegrafen, keine Elektrizität und keine Zeitung, und das Dorf war nur über eine gewundene Straße zu erreichen. Die Einwohner waren rau, aber gastfreundlich – vor allem gegenüber Fremden, die bereit waren zu arbeiten. Als Vacher in der letzten Augustwoche des Jahres 1895 ins Dorf kam, schickte ihn die Frau im ersten Haus fort. »Wir verteilen unseren Eintopf an unsere Arbeiter«, sagte sie. »Für dich ist nichts übrig.« Dann ging er zu einem anderen Bauernhof und fragte einen Jungen vor dem Haus, ob er Arbeit bekommen könne. »Bestimmt«, antwortete der Junge. »Fragen Sie einfach.« »Muss man denn hier arbeiten?«, wollte Vacher wissen. »O ja«, meinte der Junge, »wer nicht arbeitet, der kann nicht hierbleiben.«
    Schließlich kam er zum Haus der Familie Babola und bat die Frau, die er dort antraf, um Milch. Doch sie hatte keine. Er stöhnte auf, verwünschte sie und ging weiter.
    »Was mich am meisten beeindruckte«, berichtete Madame Babola später, »waren seine Hände. Als ich sie sah, fiel mir auf, dass sie klein waren im Vergleich zu anderen Bauern seiner Größe. Und seine Nägel waren so lang … sie erinnerten mich an die Krallen eines Raubvogels.«
    Eine Frau hatte Mitleid. »Ich bin nicht sehr reich«, entschuldigte sie sich, als sie ihm ein wenig Suppe gab.
    »Die Reichen geben nicht am meisten«, erwiderte er.
    Nun wanderte er auf einem Feldweg anderthalb Kilometer weiter und erreichte den Weiler Onglas. Auf dem Bauernhof von Pierre Guiffray wollte er für ein paar Münzen etwas Milch haben. Guiffray bat ihn herein und schaute misstrauisch zu, wie er sein Brot in die Milch tunkte und verspeiste.
    »Warum arbeiten Sie nicht?«, fragte Guiffray. »Sie sind doch bestimmt kräftig genug.«
    Vacher erklärte, dass ihn ein Leiden daran hindere, hart zu arbeiten, und zeigte Guiffray sein Handgelenk, als wäre damit alles erklärt.
    »Woher kommen Sie?«
    Vacher dachte kurz nach. »Seillons«, erwiderte er dann. Das war ein Dorf in der Nähe. Guiffray beobachtete ihn stumm.
    Am nächsten Tag traf Guiffray auf Vacher, als der an einen Kastanienbaum gelehnt am Weg von Bénonces nach Onglas saß. »Scheint Ihnen gut zu gehen hier im Schatten.«
    »Nicht lange«, meinte Vacher.
    Die Bauern von Ain, der Region, zu der Bénonces und Onglas gehören, züchten seit Langem eine Rinderrasse namens Charolais. Die grauweißen Tiere sind sehr muskulös, robust und haben einen langen Körper. Die Kühe wachsen schnell und liefern reichlich Milch. Es sind derb aussehende Kreaturen mit einem dicken Fell, das ihnen hilft, das raue Klima zu ertragen.
    Der Rhythmus der Kühe bestimmte das Leben auf den Bauernhöfen. Bei Tagesanbruch molken Mädchen die Kühe, und gegen sieben Uhr führten Hirtenjungen ihre kleinen Herden auf die Bergwiesen, etwa anderthalb Kilometer entfernt, hüteten sie dort mehrere Stunden und brachten sie um halb elf in den Stall zurück. Am Spätnachmittag führten sie dann die Herde noch einmal für drei oder vier Stunden auf die Weide.
    Auch wenn dies nach einer friedlichen Idylle klingen mag, war das Leben eines Hirten keineswegs leicht, und das Landleben war keine einfache

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