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Der wasserdichte Willibald

Der wasserdichte Willibald

Titel: Der wasserdichte Willibald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einredeten
     wie auf ein beklopptes Baby. »Wenn er nicht reinwill, dann soll er halt draußen bleiben«, sagte sie.
    »Nun lass mal!«, sagte Papa. »Er will schon rein, was Willi? Bist doch kein Schisser.«
    »So was von wasserscheu wie der ist!«, sagte Tobi. »Der geht doch nicht mal in die Badewanne.«
    »Wenn er erst sieht, wie schön das Meer ist, dann geht er schon rein«, sagte Mama. »Ganz schön blau. Oder sogar türkis.«
    »Eine richtige Wasserratte wird er werden, unser Willi«, sagte Papa. »Da macht euch mal keine Sorgen, was, mein Junge?«
    »Mhm«, sagte Willi. Sonst sagte er nichts. Ihm war ein bisschen schlecht hinten im Auto. Und ehrlich gesagt, ein paar Sorgen
     machte er sich schon.
    Mal angenommen, es stimmt und das Meer ist schön, dachte er. Und das Meer ist blau oder sogar türkis und ganz angenehm. Bloß
     mal angenommen. Aber was ist dann zum Beispiel mit den Fischen? Vielleicht gibtes ja keine Haie, dachte er. Meinetwegen. Aber was ist mit den anderen? Dass das Meer fast leer sei, das glaubte er nicht.
     Eher schon, dass es voll war. Voll von gefährlichem Viehzeug: Seesternen und Seeigeln und Seegurken und Sägefischen und Seewölfen
     und Schwertfischen und Quallen. Und was ist zum Beispiel mit dem Wal?
    Willi kannte eine Geschichte aus dem Religionsunterricht: Da war ein Mann, der hieß Jonas. Und der sollte einen Auftrag von
     Gott erfüllen. Aber er wollte nicht. Er floh auf ein Schiff und segelte davon. Aber dann kam ein Sturm und Jonas ging über
     Bord. Und dann verschluckte ihn ein Wal. Einfach so. Nach drei Tagen spuckte ihn der Wal wieder an Land. Immerhin. Aber Willi
     wollte von einem Wal weder verschluckt noch ausgespuckt werden.
    Also, was war zum Beispiel mit dem Wal?Oder mit den giftigen Meerschlangen zum Beispiel?

    Und was ist, wenn das Meer keinen Boden hat?, dachte Willi. Das soll ja zehntausend Meter tief sein. Und da geh ich dann rein,
     dachte er, und pflupp! bin ich weg!
    Die Fahrt ans Meer war sehr lang. Willi hatte viel Zeit für viele Gedanken. Die Gedanken sausten nur so in seinem Kopf herum.
     Und ein Gedanke kam immer wieder:
    Das Wasser überhaupt!
    Willi hatte es noch niemandem gesagt, aber er hatte einen schrecklichen Verdacht: Der Mensch, dachte Willi, ist gar nicht
     wasserdicht. Oder vielleicht nur die anderen Menschen und er nicht.
    An den großen Löchern, an Mund und Ohr und Nase, sowieso nicht. Dass das Wasser durch die Nase reinkam zum Beispiel, das wusste
     ja jeder. Aber was war mit den kleinenLöchern? Willi wusste, dass durch kleine Löcher in der Haut der Schweiß rauskam. Das hatte ihm Tesi erklärt. Wer sagt mir
     nun, dachte er, dass durch diese Löcher das Wasser nicht auch wieder reinkommen kann?
    Vielleicht nicht das Duschwasser oder das Händewaschwasser. Aber das Meer zum Beispiel, weil es so groß und tief ist. Das
     ganze Meer kommt vielleicht in mich rein und überschwemmt mich, dachte er.
    In der Stadt hatten Willi und Mama einmal einen ganz dicken Mann gesehen. »Mein Gott, ist der aufgeschwemmt!«, hatte Mama
     gesagt. »Aufgeschwemmt«, hatte sie gesagt. Daran konnte sich Willi genau erinnern. Der war wahrscheinlich auch nicht wasserdicht
     gewesen.
    Die Enten waren wasserdicht. Das hatte Willi schon oft gesehen. Die tauchten unterund wieder auf. Und das Wasser lief ihnen in kleinen Perlen von den Federn. Oder ein Hund, der schüttelt sich. Dann fliegt
     das Wasser davon wie ein Sprühregen.
    Aber Willi wurde immer gleich abgetrocknet nach dem Waschen. Wahrscheinlich wussten seine Eltern, dass er nicht wasserdicht
     war. Wahrscheinlich hatte es ihnen der Babydoktor bei seiner Geburt gleich gesagt: »Auf Ihren Willibald müssen Sie aufpassen.
     Er ist nämlich leider nicht wasserdicht.« Und deshalb kam immer gleich einer mit dem Handtuch, wenn er aus der Dusche stieg.
     Denn ein überschwemmtes Kind wollten sie natürlich nicht.
    Warum er nun allerdings ausgerechnet im Meer baden sollte, das konnte er nicht verstehen. Und er fand es nicht heraus, sosehr
     er auch darüber nachdachte.
     
    Als sie in ihrem Ferienhaus am Meer angekommen waren, rannten alle sofort zum Wasser und sprangen platsch! hinein. Willi sah
     ihnen zu.
    »Es ist herrlich herrlich herrlich!«, rief Mama. »Komm!«
    »Ich wart erst mal ein bisschen«, sagte er. Er stand am Ufer und bohrte seinen großen Zeh in den Sand. Vor ihm im seichten
     Wasser lag die ganze Familie und versuchte ihn hineinzulocken. Vergeblich.
    Er war noch nicht fertig mit Nachdenken.

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