Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
darunter zerschellte. Die Palastmauer erzitterte und das Knirschen und Splittern des Holzes hallte von den Gebäuden in der Nähe wider.
Szeth befand sich noch auf der Wand. Ächzend erhob er sich. Er fühlte sich schwach, hatte sein Sturmlicht zu schnell verbraucht und den Körper überanstrengt. Er taumelte an der Wand des Gebäudes herunter, näherte sich dem Trümmerhaufen, konnte kaum auf den Beinen stehen.
Der König bewegte sich noch. Ein Splitterpanzer bewahrte seinen Träger zwar vor den Auswirkungen eines solchen Sturzes, aber ein langes, blutiges Stück Holz steckte in Gavilars Seite und hatte ihn dort durchbohrt, wo Szeth ein Loch in die Rüstung geschlagen hatte. Szeth kniete nieder und betrachtete das schmerzzerfurchte Gesicht des Mannes, die scharf umrissenen Züge, ein kantiges Kinn, einen weiß gefleckten Bart und verblüffend blassgrüne Augen. Gavilar Kholin.
»Ich … hatte dich … schon erwartet«, sagte der König unter Keuchen.
Szeth griff ihm unter die Brustplatte und zog dort an den Riemen. Sie lösten sich, er nahm den vorderen Teil der Rüstung
ab und entblößte dabei die Edelsteine unter ihr. Zwei von ihnen waren zerbrochen und ausgebrannt. Drei glühten noch. Benommen sog Szeth die Luft ein und nahm das Licht in sich auf.
Der Sturm tobte wieder in ihm. Weiteres Licht drang aus seinem Gesicht und heilte ihm Haut und Knochen. Die Schmerzen waren noch immer stark; das Sturmlicht wirkte nicht sofort. Es würde noch Stunden dauern, bevor er sich erholt hatte.
Der König hustete. »Du kannst … Thaidakar sagen, dass … er zu spät kommt.«
»Ich weiß nicht, wer das ist«, sagte Szeth, während er aufstand. Die Worte drangen undeutlich aus seinem gebrochenen Kiefer. Er streckte die Hand zur Seite aus und rief seine Splitterklinge wieder herbei.
Der König runzelte die Stirn. »Wer dann …? Restares? Sadeas? Ich hätte nie geglaubt …«
»Meine Meister sind die Parschendi«, sagte Szeth. Zehn Herzschläge vergingen, und die Klinge fiel in seine Hand: feucht vom Schwitzwasser.
»Die Parschendi? Das ergibt doch keinen Sinn.« Gavilar hustete erneut, griff sich mit zitternder Hand an die Brust und tastete nach einer Tasche. Er zog eine kleine Kristallkugel daraus hervor, die an einer Kette hing. »Du musst das hier nehmen. Sie dürfen es nicht bekommen.« Er wirkte benommen. »Sag … sag meinem Bruder … er muss die wichtigsten Worte finden, die ein Mensch sagen kann …«
Gavilar verstummte.
Szeth zögerte, kniete sich schließlich hin und nahm die Kugel entgegen. Sie war seltsam und glich nichts, was er je gesehen hatte. Obwohl es vollkommen dunkel war, schien sie irgendwie zu glühen – in einem Licht, das schwarz zu sein schien.
Die Parschendi?, hatte Gavilar gesagt. Das ergibt doch keinen Sinn.
»Nichts ergibt mehr einen Sinn«, flüsterte Szeth und steckte die seltsame Kugel ein. »Alles steht vor dem Zusammenbruch.
Es tut mir leid, König der Alethi. Ich bezweifle, dass dir das noch etwas bedeutet.« Er stand auf. »Wenigstens musst du nicht zusammen mit dem Rest von uns den Untergang der Welt beobachten.«
Gavilars Splitterklinge materialisierte sich neben dem Körper des Königs aus dem Nebel und fiel – nun, da sein Meister tot war – klappernd auf den Steinboden. Sie war ein Vermögen wert; ganze Königreiche waren untergegangen, nur weil einige Männer unbedingt eine Splitterklinge hatten besitzen wollen.
Alarmrufe drangen aus dem Inneren des Palastes. Szeth musste verschwinden. Aber …
Sag meinem Bruder …
Für Szeths Volk war die letzte Bitte eines Sterbenden heilig. Er ergriff die Hand des Königs, tauchte sie in das Blut des Mannes und schrieb damit auf das Holz: Bruder, du musst die wichtigsten Worte finden, die ein Mensch sagen kann.
Und dann floh Szeth in die Nacht hinein. Er ließ die Splitterklinge des Königs zurück; er hatte keine Verwendung für sie. Die Klinge, die Szeth bei sich trug, war ihm schon Fluch genug.
ERSTER TEIL
Über dem Schweigen
KALADIN · SCHALLAN
1
STURMGESEGNET
»Ihr habt mich getötet. Ihr Bastarde habt mich getötet! Während die Sonne noch heiß brennt, sterbe ich!«
Gesammelt am fünften Tag der Woche Chach, im Monat Tanat des Jahres 1171, zehn Sekunden vor dem Tod. Person war ein dunkeläugiger Soldat im Alter von einunddreißig Jahren. Auswahl wird als zweifelhaft angesehen.
FÜNF JAHRE SPÄTER
I ch werde sterben, nicht wahr?«, fragte Cenn.
Der wettergegerbte Soldat neben Cenn drehte sich um und
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