Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
den Gestank eines weiteren schwitzenden, ungewaschenen Körpers auf und hörte das Geräusch schlurfender Füße. Misstrauisch blickte er zur Seite und erwartete, wieder denselben Sklaven zu sehen.
Doch diesmal war es ein anderer Mann. Er hatte einen langen schwarzen Bart, der mit Dreck und Essensresten verklebt war. Kaladin trug seinen eigenen Bart kürzer und erlaubte es Tvlakvs Söldnern von Zeit zu Zeit, ihn abzuschneiden. Wie Kaladin trug auch dieser Sklave die Überreste eines braunen Sacks, der mit einer Kordel zusammengebunden war. Und er war natürlich dunkeläugig – vielleicht war es auch ein tiefes Grün, aber bei Dunkelaugen war das nur schwer zu erkennen. Ihre Augen wirkten immer so lange braun oder schwarz, bis man sie im richtigen Licht sah.
Der Neue wich sofort zurück und hob die Hände. An der einen Hand hatte er einen Ausschlag; die Haut hatte ein wenig Farbe verloren. Vermutlich näherte er sich, weil er gesehen hatte, dass Kaladin mit dem anderen Mann gesprochen hatte. Seit dem ersten Tag hatten die Sklaven Angst vor ihm gehabt, aber sie waren offensichtlich auch neugierig.
Kaladin seufzte und wandte sich ab. Zögernd setzte sich der Sklave. »Darf ich dich fragen, wie du zum Sklaven geworden bist, mein Freund? Das frage ich mich nämlich schon. Das fragen wir uns alle.«
Dem Akzent und dem dunklen Haar nach zu urteilen war dieser Mann ein Alethi, so wie Kaladin. Die meisten Sklaven waren Alethi. Kaladin gab keine Antwort.
»Also, ich habe eine Chull-Herde gestohlen«, erklärte der Mann. Er hatte eine heisere Stimme, die sich wie raschelndes Papier anhörte. »Wenn ich nur ein einziges Chull genommen hätte, wäre ich wohl bloß geschlagen worden. Aber es war eine ganze Herde. Siebzehn Stück …« Er kicherte in sich hinein und bewunderte seinen eigenen Wagemut.
In der gegenüberliegenden Ecke des Wagens hustete wieder jemand. Selbst für Sklaven waren diese Männer ein erbärmlicher Haufen: schwach, krank und unterernährt. Einige waren wie Kaladin mehrfach geflohen, auch wenn Kaladin der Einzige mit einem Schasch -Brandzeichen auf der Stirn war. Sie waren die Wertlosesten aus der Kaste der Wertlosen und zu einem Spottpreis eingekauft worden. Vermutlich sollten sie an einem fernen Ort wieder verkauft werden, dort, wo unbedingt Arbeitskräfte gebraucht wurden. Es gab eine Menge kleiner, unabhängiger Städte am Rande der Unbeanspruchten Berge, in denen die Vorin-Gesetze zum Halten von Sklaven bloß ein fernes Gerücht waren.
Diese Gegenden waren gefährlich, denn sie wurden von niemandem regiert. Indem Tvlakv durch das offene Land reiste und sich von den bekannten Handelsrouten fernhielt, konnte
er unbeschäftigten Söldnern durchaus in die Arme laufen. Das waren Männer, die keine Ehre kannten und keine Angst davor hatten, einen Sklavenmeister nebst dessen Sklaven zu töten, nur um ein paar Chulle und Wagen zu stehlen.
Männer ohne Ehre. Wo waren die Männer, die noch Ehre hatten? Gab es sie überhaupt?
Nein, dachte Kaladin. Die Ehre ist vor acht Monaten gestorben.
»Also?«, fragte der Mann mit dem verfilzten Bart. »Warum bist du zum Sklaven geworden?«
Kaladin hob wieder den Arm gegen die Stäbe. »Wie bist du gefangen worden?«
»Das war eine seltsame Sache«, sagte der Mann. Kaladin hatte seine Frage nicht beantwortet, aber er hatte wenigstens etwas gesagt. Das schien dem anderen zu reichen. »Es war natürlich eine Frau. Ich hätte wissen müssen, dass sie mich verkaufen wird.«
»Du hättest keine Chulle stehlen sollen. Sie sind zu langsam. Pferde wären besser gewesen.«
Der Mann lachte unbändig. »Pferde? Hältst du mich etwa für verrückt? Wenn ich dabei erwischt worden wäre, hätte man mich doch aufgehängt. Die Chulle haben wenigstens nur zu einem Sklavenzeichen geführt.«
Kaladin warf einen Blick zur Seite. Das Stirnzeichen des Mannes war älter als das von Kaladin, und die Haut um die Narbe herum war verblasst. Was bedeutete dieses Glyphenpaar? »Sas Morom «, sagte Kaladin. Das war das Gebiet des Großprinzen, in dem der Mann gebrandmarkt worden war.
Der Mann blickte entsetzt auf. »He! Du kennst diese Glyphen? « Einige Sklaven regten sich angesichts einer solchen Seltsamkeit. »Du musst eine bessere Geschichte haben, als ich gedacht hatte, mein Freund.«
Kaladin schaute hinaus auf das Gras, das in einer milden Brise wogte. Wann immer der Wind auffrischte, zogen sich
die empfindlicheren Gräser in ihre Steinverstecke zurück und machten die Landschaft
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