Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
mehr begegnet. War Gavaschaw so dumm gewesen, all seine Wächter draußen zu postieren und sein eigenes Schlafzimmer ungeschützt zu lassen?
Unbewacht und dunkel lag vor ihm die Tür zu den Herrschaftsräumen am Ende eines kurzen Ganges. Das war verdächtig.
Szeth kroch auf die Tür zu und lauschte. Nichts. Er zögerte und warf einen raschen Blick zur Seite. Eine breite Treppe führte in den zweiten Stock. Er huschte hinüber und trennte mit seiner Klinge einen hölzernen Knopf von der Geländersäule ab. Er hatte etwa die Größe einer kleinen Melone. Einige Klingenstreiche schnitten einen mantelgroßen Teil von den Vorhängen eines Fensters ab. Szeth eilte zur Tür zurück, lud die Holzkugel mit Sturmlicht auf und gab ihr ein einfaches Peitschen, das sie nach Westen ausrichtete: und zwar auf eine Stelle, die sich unmittelbar vor ihm befand.
Er durchschlug den Riegel der zweiflügeligen Tür und drückte die eine Seite auf. Der dahinter liegende Raum war dunkel. War Gavaschaw heute Abend ausgegangen? Wohin mochte er sich begeben haben? Für ihn schien die Stadt noch nicht sicher zu sein.
Szeth legte die Holzkugel mitten auf den Vorhangstoff, hielt beides hoch und ließ es fallen. Es flog auf die gegenüberliegende Wand zu. Die eingewickelte Kugel wirkte beinahe wie eine Person, die in gebückter Haltung durch das Zimmer lief.
Keine versteckten Wächter schossen darauf zu. Die Kugel prallte von einem geschlossenen Fenster ab und blieb an der Wand daneben hängen. Sturmlicht trat aus ihr hervor.
Dieses Licht beleuchtete einen kleinen Tisch, auf dem etwas lag. Szeth blinzelte und versuchte herauszufinden, um was es sich handelte. Er trat vor, schlich durch das Zimmer und kam dem Tisch immer näher.
Ja. Der Gegenstand, der darauf lag, war ein Kopf. Er trug Gavaschaws Gesichtszüge. Die Schatten, die das Sturmlicht verursachte, gaben dem schrecklichen Antlitz ein noch unheimlicheres Aussehen. Offenbar war Szeth jemand zuvorgekommen.
»Szeth-Sohn-Neturo«, sagte eine Stimme.
Szeth drehte sich um, schwang seine Splitterklinge und nahm eine Verteidigungsstellung ein. Eine Gestalt stand am anderen Ende des Raumes: eingehüllt in Finsternis. »Wer bist du?«, wollte Szeth wissen. Seine Aura aus Sturmlicht wurde heller, als er nicht länger die Luft anhielt.
»Bist du zufrieden damit, Szeth-Sohn-Neturo?«, fragte die Stimme. Sie klang männlich und tief. Was war das für ein Akzent? Der Mann war kein Veden. Vielleicht ein Alethi? »Bist du bereits mit so unbedeutenden Verbrechen zufrieden? Mit dem Ermorden von bedeutungslosen Torfköpfen in hinterwäldlerischen Bergbaustädten?«
Szeth gab keine Antwort. Er betrachtete den Raum und suchte nach Bewegungen in den anderen Schatten. Doch niemand schien sich dort zu verstecken.
»Ich habe dich beobachtet«, sagte die Stimme. »Du wirst ausgesandt, um Ladenbesitzer einzuschüchtern. Du hast Straßenräuber getötet, die so unbedeutend waren, dass sogar die örtliche Regierung sie nicht beachtet hat. Du wirst zur Schau gestellt, um Huren zu beeindrucken, als wären sie hochrangige helläugige Damen. Was für eine Verschwendung!«
»Ich tue das, was mein Meister von mir verlangt.«
»Du wirst vergeudet«, sagte die Stimme. »Du bist doch nicht geschaffen, um kleine Erpressungen durchzuführen. Wenn man dich auf diese Weise einsetzt, dann ist das so, als würde man einen Ryschadium-Hengst vor einen klapprigen Marktwagen spannen. Es ist so, als würde man mit einer Splitterklinge Gemüse zerteilen oder das feinste Pergament benutzen, um damit das Feuer für die Wäsche anzuzünden. Es ist ein Verbrechen .
Du bist doch ein Kunstwerk, Szeth-Sohn-Neturo, ein Gott. Und jeden Tag bewirft dich Makkek wieder mit Mist.«
»Wer bist du?«, wiederholte Szeth.
»Ein Bewunderer der Künste.«
»Nenn mich nicht beim Namen meines Vaters«, sagte Szeth. »Er sollte nicht durch die Verbindung mit mir beschmutzt werden.«
Die Holzkugel an der Wand hatte ihr gesamtes Sturmlicht endlich verloren und fiel zu Boden. Der Vorhangstoff dämpfte den Aufprall. »Also gut«, sagte die Gestalt. »Lehnst du dich also wirklich nicht gegen diesen so besonders leichtfertigen Einsatz deiner Fähigkeiten auf? Bist du gar nicht zu Großartigerem bestimmt?«
»Im Töten liegt nichts Großartiges«, sagte Szeth. »Du redest wie ein Kukori. Große Männer erschaffen Nahrung und Kleidung. Derjenige, der hinzufügt, ist verehrungswürdig. Ich bin aber derjenige, der wegnimmt. Wenigstens kann ich vorgeben,
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