Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
natürliche Umsichtigkeit und Geschmeidigkeit, die ihn beinahe unsichtbar machten. Diese kurze Freiheit genoss er. Die Augenblicke, in denen er nicht in einer von Makkeks rauchgeschwängerten Spelunken festsaß, waren in der letzten Zeit allzu selten geworden.
Schnell huschte er zwischen den Gebäuden einher, spürte die kalte, feuchte Luft auf der Haut und hatte beinahe das Gefühl, wieder in Schinovar zu sein. Die Gebäude um ihn herum bestanden nicht aus blasphemischem Stein, sondern aus Lehm und Erdkrume. Und diese leisen Geräusche entsprachen keineswegs dem Gejohle aus einer von Makkeks vielen Spielhöllen, sondern eher dem Donnern und Wiehern wilder Pferde auf einer weiten Ebene.
Aber nein. In Schinovar hatte er nie den Gestank von solchem Abfall gerochen, der wochenlang herumlag und ungeheuer durchdringend war. Er war nicht zu Hause. Für ihn gab es keinen Platz im Tal der Wahrheit.
Szeth betrat eines der reicheren Stadtviertel, wo die Wohnhäuser in größerem Abstand voneinander standen. Bornwasser befand sich in einer Senke und wurde im Osten durch hohe Felsklippen geschützt. Der überhebliche Gavaschaw hatte sein Quartier in einem vornehmen Haus im östlichen Teil der
Stadt aufgeschlagen. Das Gebäude gehörte dem örtlichen Gutsbesitzer; Gavaschaw genoss sein Wohlwollen. Der Gutsherr hatte von Makkek und dessen raschem Aufstieg zu einer der führenden Persönlichkeiten im Untergrund gehört und war der Meinung, es sei eine gute Möglichkeit, Makkeks Macht in Grenzen zu halten, indem er einen Rivalen unterstützte.
Das Haus des Gutsbesitzers war drei Stockwerke hoch, und eine Steinmauer umgab den kleinen Besitz, den ein gepflegter Garten umgab. Szeth näherte sich in gebückter Haltung. Hier am Rande der Stadt war der Boden mit knollenartigen Steinknospen durchsetzt. Als er an ihnen vorbeikam, raschelten die Pflanzen, zogen ihre Ranken zurück und schlossen müde ihre Schutzpanzer.
Er erreichte die Mauer und drückte sich dagegen. Es war die Zeit zwischen den ersten beiden Monden – die dunkelste Periode der Nacht. Die verhassteste Stunde, wie sein Volk sie nannte, denn dies war eine der wenigen Zeiten, zu denen die Götter nicht über die Menschen wachten. Soldaten gingen oben auf der Mauer entlang; ihre Stiefel kratzten über den Stein. Vermutlich glaubte Gavashaw, in diesem Gebäude sicher zu sein, denn schließlich hatte es einem mächtigen Hellauge Schutz geboten.
Szeth atmete tief ein und lud sich mit dem Sturmlicht aus den Kugeln in seinem Beutel auf. Er fing an zu glühen, leuchtender Dunst stieg aus seiner Haut auf. In der Dunkelheit war er nun deutlich sichtbar. Diese Kräfte waren früher nie zum heimlichen Töten eingesetzt worden; Wogenbinder hatten im hellen Tageslicht gekämpft. Sie hatten die Nacht nicht begrüßt, sondern verabscheut.
Dieser Ort passte nicht zu Szeth. Er musste besonders aufpassen, um nicht gesehen zu werden.
Zehn Herzschläge nach dem Vorüberschreiten der Wachen peitschte sich Szeth auf die Mauer zu. Diese Richtung wurde für ihn zum Unten, und so konnte er die Steinmauer emporlaufen.
Als er oben angekommen war, sprang er nach vorn und peitschte sich kurz rückwärts. Er wirbelte über die Mauer hinweg und peitschte sich wieder gegen die Wand. Dann stemmte er die Füße gegen den Stein und blickte mit dem Gesicht nach unten zum Boden hinab. Er rannte, peitschte sich hinunter und ließ sich das letzte Stück fallen.
Der Boden war mit Schieferborken ausgelegt, die kleine Terrassen bildeten. Szeth duckte sich und eilte durch den labyrinthartigen Garten. Vor der Tür des Hauses standen Wächter und hielten im Licht von Kugeln Ausschau. Wie einfach wäre es, aufzuspringen, das Sturmlicht zu verzehren und die Männer in Dunkelheit zu stürzen, bevor er sie niedermachte.
Doch Makkek hatte ihm nicht ausdrücklich befohlen, so zerstörerisch zu sein. Gavanschaw sollte ermordet werden, aber die Art und Weise blieb Szeth überlassen. Er wählte eine aus, die es nicht erforderte, die Wachen ebenfalls zu töten. So machte er es immer, wenn er die Wahl hatte. Es war die einzige Möglichkeit für ihn, sich das wenige an Menschlichkeit zu bewahren, das er noch besaß.
Er erreichte die Westmauer des Hauses, peitschte sich darauf zu und rannte zum Dach hoch. Es war lang und flach und fiel leicht nach Osten ab – eine unnötige Eigenschaft in einer Senke, aber die Ostländer sahen die Welt immer im Lichte der Großstürme. Rasch lief Szeth zum hinteren Teil des Hauses, das
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