Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
einige Stunden in diesem Zustand halten.
»Wo warst du?«, fragte Lirin. Die Flaschen mit Öl und Alkohol klirrten, als er sie an ihren Platz zurückstellte.
»Bei Marmel.«
»Marmel ist zwei Jahre älter als du«, sagte Lirin. »Ich bezweifle, dass es ihm gefällt, sich mit Kindern abzugeben, die so viel jünger sind als er.«
»Sein Vater bringt ihm jetzt das Kämpfen mit dem Kurzstab bei«, sagte Kal rasch. »Tien und ich haben uns angesehen, was er schon gelernt hat.« Kal krümmte sich innerlich zusammen und wartete auf die Lektion, die nun folgen würde.
Sein Vater säuberte jedes Messer zuerst mit Alkohol, dann mit Öl, so wie es die alten Traditionen vorschrieben. Er drehte sich nicht zu Kal um.
»Marmels Vater war Soldat in Hellherr Amarams Armee«, sagte Kal zögernd. Hellherr Amaram! Der adlige, helläugige General, der über das nördliche Alethkar wachte. Kal sehnte sich so sehr danach, endlich ein richtiges Hellauge zu sehen und nicht nur immer mit dem langweiligen alten Wistiow vorliebnehmen zu müssen. Er wollte einem Soldaten gegenüberstehen,
über den jedermann sprach, einem solchen, wie sie aus den alten Geschichten bekannt waren.
»Ich kenne Marmels Vater«, sagte Lirin. »Ich habe sein lahmes Bein schon dreimal operieren müssen. Das ist ein Geschenk aus seiner glorreichen Zeit als Soldat.«
»Wir brauchen Soldaten, Vater. Willst du etwa, dass unsere Grenze von den Thaylenern bedroht wird?«
»Thaylenah ist ein Inselstaat«, antwortete Lirin gelassen. »Es hat gar keine gemeinsame Grenze mit uns.«
»Aber sie könnten vom Meer aus angreifen!«
»Dort leben hauptsächlich Kaufleute. Jeder Thaylener, dem ich bisher begegnet bin, hat versucht, mich übers Ohr zu hauen, aber das ist wohl kaum dasselbe wie eine Invasion.«
Alle Jungen hörten gern Geschichten über ferne Länder. Es war schwer vorstellbar, dass Kals Vater – der einzige Mann aus dem zweiten Nahn in Herdstein – in seiner Jugend bis nach Kharbranth gereist war.
»Aber wir kämpfen doch mit jemandem «, fuhr Kal fort, während er den Boden schrubbte.
»Ja«, bestätigte sein Vater nach einiger Zeit. »König Gavilar findet immer jemanden, gegen den wir kämpfen können. Das ist richtig.«
»Also brauchen wir auch Soldaten, wie ich schon gesagt habe.«
»Vor allem brauchen wir Chirurgen.« Lirin seufzte hörbar und wandte sich von seinem Schrank ab. »Mein Sohn, du bist jedes Mal den Tränen nahe, wenn jemand zu uns gebracht wird, und schon bei den einfachsten Operationen beißt du ängstlich die Zähne zusammen. Warum glaubst du, dass du tatsächlich jemanden verletzen könntest?«
»Ich werde immer stärker.«
»Das ist doch Dummheit. Wer setzt dir solche Gedanken in den Kopf? Warum willst du unbedingt lernen, wie du andere Jungen mit einem Stock schlagen kannst?«
»Um der Ehre willen, Vater«, sagte Kal. »Bei allen Herolden, wer erzählt denn schon Geschichten über Chirurgen ?«
»Die Kinder der Männer und Frauen, denen wir das Leben retten«, sagte Lirin gelassen und sah Kal in die Augen. »Sie erzählen Geschichten über Chirurgen.«
Kal errötete und machte sich wieder an die Reinigung des Bodens.
»Zwei Arten von Menschen gibt es auf dieser Welt, mein Sohn«, sagte sein Vater ernst. »Diejenigen, die Leben retten, und diejenigen, die Leben nehmen.«
»Und was ist mit denen, die die anderen schützen und verteidigen? Diejenigen, die Leben retten, indem sie andere Menschen töten?«
Verächtlich schnaubte sein Vater. »Das ist so, als versuchte man einen Sturm aufzuhalten, indem man gegen ihn anbläst. Lächerlich. Du kannst niemanden schützen, indem du tötest.«
Kal schrubbte weiter.
Schließlich seufzte sein Vater, ging zu ihm hinüber, kniete sich neben ihn und half ihm beim Schrubben. »Was sind die Eigenschaften der Winterwurz?«
»Bitterer Geschmack«, sagte Kal sofort, »was sie einfach zu lagern macht, denn keiner isst sie aus Versehen. Man zermahlt sie zu Pulver, mischt sie mit Öl und nimmt einen Löffel für jede zehn Ziegel, die ein Mensch wiegt, um ihn zu betäuben. Der Schlaf dauert ungefähr fünf Stunden.«
»Und woran erkennst du, ob jemand die Fiedelpocken hat?«
»Nervöse Energie«, antwortete Kal, »Durst, Schlafstörungen und Schwellungen an der Unterseite der Arme.«
»Du hast ein so gutes Gedächtnis, mein Sohn«, sagte Lirin sanft. »Mich hat es Jahre gekostet, das zu lernen, was du in ein paar Monaten lernst. Ich habe etwas Geld gespart. Ich würde dich gern nach
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