Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)
hierlassen«, sagte er endlich. »Wir werden ihn mitnehmen. Wenn irgendwelche Lebensmittel auf seinem Kamel sind, legt sie zu den unseren.« Während die Männer sich entfernten, murmelte der Häuptling in sich hinein: »Das hat mit Sicherheit etwas zu bedeuten, doch wer kann schon sagen, ob Gutes oder Schlechtes?«
Nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten, blieben sie um die schwelende Glut und die von der Hitze des Feuers erwärmten Steine sitzen. Die Sterne waren zu Millionen über den klaren Wüstenhimmel ausgebreitet. Ab und an zog ein Meteor vorüber, glühte hell auf und verschwand nach einem Augenblick wieder.
Während sie darauf warteten, dass Roza Khan das Schweigen brach, das sich über sie gelegt hatte, begannen die Männer, jeder für sich und ohne auf die anderen zu achten, vor sich auf dem Boden kleine seltsame Konstruktionen zu errichten. Auf der Unterlage eines flachen Steins wurden kleine rundliche Kiesel, scharfe Felssplitter, Strohhalme und Ästchen geduldig und mit äußerster Konzentration aufeinandergelegt und ins Gleichgewicht gebracht. Fingerbreit um Fingerbreit nahmen diese winzigen Gebilde Gestalt an und wuchsen vor den sitzenden Männern in die Höhe. In den letzten paar Tagen waren sie zwei Reisenden begegnet, die gehört hatten, dass die Regierung bereit sei, Friedensgespräche mit ihnen zu führen und, solange diese andauerten, alle Kampfhandlungen einzustellen. Untereinander flüsternd, waren sie sich darin einig geworden, dass Jangu, der dem Häuptling am nächsten stand, das Thema an einem Abend seiner Wahl zur Sprache bringen würde.
Sie alle wussten, dass dies der Abend war, an dem sie diese wichtige Entscheidung treffen mussten, über die jeder von ihnen, ohne sich den anderen zu offenbaren, die ganze Zeit nachgedacht hatte.
Roza Khans trockenes, kratzendes Husten fuhr plötzlich in ihre Gedankengänge. Er räusperte sich und spuckte über die Schulter. »Welchen Weg schlagen wir morgen ein?«, fragte er und blickte in die Runde. »Jangu«, sagte er und starrte nach rechts. »Sag du mir, was du denkst.«
Die Antwort kam von dem Mann, der direkt neben ihm saß.
»Sardar«,
erwiderte Jangu, »es gibt keine einfache Antwort. Sprechen wir über die Dinge, die wir wissen. Dann werde ich euch von den Dingen berichten, die nur ich weiß. Anschließend werden wir eine Entscheidung treffen.«
»Ja, so wollen wir es machen«, erwiderte Roza Khan.
Jangu Khan fuhr fort: »Erstens, wir kennen alle den Samen, aus dem der Zwist erwachsen ist. Die Distriktbeamten entschieden sich dafür, den Häuptling unseres Bruderstammes abzusetzen und zu verhaften. Das Recht, Häuptlinge einzusetzen und abzusetzen, räumen wir nur uns selbst ein. Wir erkennen niemandes Macht an, zu entscheiden, wer unser Häuptling sein oder nicht sein soll. Das ist die Sache, um die es geht, und wir können nicht anders, als für eine solche Sache zu kämpfen. Ja, es ist eine Gewissensfrage.«
»Gewissen!«, fiel die Stimme des alten Mannes ein. »Rede mir nicht davon, Jangu! Was für ein Führer ist das Gewissen schon, wenn es den bösen Mann nicht weniger bereitwillig in seinen Bemühungen ermutigt als einen anderen, der gegen das Unrecht kämpft! Noch nie sah ich einen Mann, dem sein Gewissen zu schaffen gemacht hätte. Das Gewissen ist wie ein armer Verwandter, der in eines reichen Mannes Hause wohnt. Es muss zu allem gute Miene machen. Es muss zu allem gute Miene machen aus Angst, hinausgeworfen zu werden. Unsere Sache ist gerecht, weil wir sie für gerecht halten – aber mache dich nie vom Gewissen abhängig, egal ob von deinem oder wessen auch immer!«
Als er verstummte, meldeten sich zwei Stimmen eifrig zu Wort.
»Sardar«,
flehten sie, »bitte, lass Jangu weitersprechen!«
Es lag keine Ungeduld, nur Flehen in den Stimmen, aber der alte Mann verspürte hinter seinem Vorhang von Dunkelheit eine unermessliche Trauer und Einsamkeit. Sie begreifen nicht, dachte er. Ich hoffe bei Gott, dass es auf der anderen Seite Menschen gibt, die ebenso voller Zweifel sind wie ich, was Recht und Unrecht sei. »Sprich weiter, Jangu«, sagte er müde.
»Also«, fuhr Jangu fort, »sechs Neumonde haben wir gesehen, seit der Zwist begann. Während dieser Zeit ist vieles geschehen – größtenteils Böses. Unsere Feldfrüchte sind verbrannt worden, unser Getreide gestohlen und unsere Herden verkauft oder geschlachtet worden. Wir haben unsere Gewehre auf sie gerichtet und sie ihre auf uns. Wir haben getötet und ebenso sie.
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