Der Weg des Feuers
hatte: Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Fieber, Atem-und Herzstillstand. In Anbetracht der Größe des Skorpions konnte Iker in weniger als vierundzwanzig Stunden sterben.
Sekari rieb die verletzte Hand mit der Salbe ein, die ihnen Gua mitgegeben hatte, und sprach Beschwörungssätze: »Spuck dein Gift aus, die Götter werden es abwehren. Wenn es brennt, wird Seth erblinden. Verkrieche dich, verschwinde, löse dich in nichts auf.«
»Habe ich denn überhaupt die Aussicht zu überleben?«
»Ehe du erstickst, mache ich einen Kehlkopfschnitt.«
Nordwind und Fang kamen und leckten dem jungen Mann zärtlich den übel riechenden Schweiß vom Gesicht.
»Das war kein gewöhnlicher Skorpion«, meinte Sekari,
»sondern das sechste Ungeheuer, das diesen Schatz hier hüten sollte.«
Iker konnte bereits nicht mehr richtig atmen.
»Sagst du Isis…?«
Von hoch oben am Himmel kam ein Schmutzgeier mit weißem Gefieder und orangefarbenem Schnabel mit schwarzer Spitze geflogen und landete neben dem Schreiber. Er hielt ein Stück Silex im Schnabel und schlug damit auf das Straußenei, das in tausend Stücke sprang und seinen Inhalt preisgab –
Goldbarren. Dann flog der große Vogel wieder auf.
»Er verkörpert Mut, die Geiergöttin, deren Name gleichzeitig
›Tod‹ und ›Mutter‹ bedeutet. Du wirst es überstehen, Iker!«
Sekari legte einen Goldbarren auf die Wunde.
Wenig später konnte der Schreiber wieder richtig atmen, und das Schwitzen hörte auf.
»Das ist ganz offensichtlich heilendes Gold.«
Unter dem Schutz einer Hundertschaft Soldaten sollte ein Trupp Minenarbeiter wieder mit der Förderung beginnen. Wenn das Gold gewonnen, gewaschen, gewogen und zu Barren gepresst war, sollte es unter strengster Bewachung nach Abydos gebracht werden.
Iker und Sekari wurden wie Helden empfangen und glaubten, die entscheidende Entdeckung gemacht zu haben. Doch die Worte des Pharaos holten sie schnell in die grausame Wirklichkeit zurück.
»Euch ist ein großer Sieg gelungen. Aber der Krieg geht trotzdem weiter. Auch wenn dies Gold unersetzlich ist, reicht es dennoch nicht. Die erforderliche Ergänzung verbirgt sich im Herzen Nubiens, in jener verlassenen Stadt, deren Spur Isis wiederentdeckt hat. Auch ich würde lieber nach Ägypten zurückkehren, aber die Bedrohung ist und bleibt gefährlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Prophet die nubischen Stämme gegen uns zusammenruft. Und solange es uns nicht gelingt, die schreckliche Löwin zu besänftigen, wird es keine einzige normale Nilschwemme mehr geben. Anstelle des wiederbelebenden Wassers fließt dann nur noch Blut.«
Also setzte die Flotte ihren Weg Richtung Süden fort. Als sie in die Nähe der Festung Miam kamen, erwarteten die Soldaten einen begeisterten Empfang von der dortigen Garnison.
Aber da war nichts als drückende Stille, und kein einziger Verteidiger zeigte sich auf den Zinnen.
»Ich sehe mal nach, was da los ist«, sagte Sekari und machte sich mit mehreren Bogenschützen auf den Weg.
Die Nachforschungen dauerten nicht lange.
»Es gibt keine Überlebenden, Majestät. Nur überall Blutspuren und Knochenreste. Auch hier hat die schreckliche Löwin gewütet.«
»Uns greift sie noch nicht an, aber sie lockt uns immer weiter in den Süden!«, stellte Sehotep fest. »Setzen wir uns nicht zu großer Gefahr aus, wenn wir ihr die Zügel überlassen?«
»Wir fahren weiter!«, erklärte Sesostris. »Ehe wir Buhen erreicht haben, ändere ich meine Vorgehensweise nicht.«
Buhen, der letzte Posten vor der nubischen Grenze und die Sperre durch den zweiten Katarakt, die Nubien daran hinderte, Ägypten zu erobern. Das Buhen, aus dem schon lange keine Nachricht mehr gekommen war.
Vorsichtig steuerte die Mannschaft vom Schiff des Pharaos auf diese Festung zu, die der Verwaltungssitz jener gesamten fernen Gegend war.
Obwohl die hohen Mauern offenbar beschädigt waren, schienen sie noch in einem guten Zustand.
Ganz oben auf dem Hauptturm winkte ein Soldat mit den Armen.
»Das könnte eine Falle sein«, warnte Sekari.
»Wir gehen alle zusammen an Land«, bestimmte Nesmontu.
»Sollte das Haupttor nicht geöffnet werden, heben wir es aus den Angeln.«
Aber das Tor öffnete sich, und etwa dreißig erschöpfte Soldaten warfen sich den Ankömmlingen in die Arme. Noch ganz unter dem Eindruck ihrer furchtbaren Erlebnisse berichteten sie von entfesselten Nubiern, mörderischen Angriffen und einer blutrünstigen Löwin. Die Festung Buhen wäre beinahe
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