Der Weg des Feuers
falsch, Herr!«
»Ganz im Gegenteil«, widersprach Schiefmaul. »Das ist die Art von Gegend, die der Prophet mag. Dieser Bursche ist nicht wie die anderen, mein Junge. Wir bleiben hier und warten.«
»Und wenn das Ganze eine Falle ist?«
»Stell vorsichtshalber vier Wachen auf.«
»Dahinten kommt jemand!«
Wie aus dem Nichts war ein großer Mann aufgetaucht, der einen Turban und einen knöchellangen Wollumhang trug und die kleine Truppe abwartend ansah.
»Es freut mich sehr, dich wiederzusehen«, sagte der Prophet mit einer Stimme, die so sanft klang, dass Schiefmaul Gänsehaut bekam.
»Und mich erst, Herr!«
Demut heischend, warf sich Schiefmaul dem Propheten zu Füßen.
»Ich habe nichts verbrochen«, beteuerte er. »Ich habe versucht, mich allein durchzuschlagen, aber die Sicherheitsleute sind hinter mir her. Irgendwelche Bauerntrampel haben mich verraten, könnt Ihr Euch das vorstellen! Das war alles ziemlich unerfreulich und langweilig. Ich und meine Leute, wir wollen etwas zu tun haben. Und da sind wir nun.«
»Willst du mir also endlich wirklich gehorchen?«
»Ich schwöre es!«
Der Prophet hatte sich im Inneren eines ausgedehnten Höhlensystems eingerichtet, das durch unterirdische Gänge miteinander verbunden war. Drohte Gefahr, gab es mehrere Fluchtausgänge. Späher, die rund um diese gottverlassene Ecke mit ihren zahlreichen Quellen aufgestellt waren, sorgten für ein Höchstmaß an Sicherheit.
Der Prophet beanspruchte für sich eine Art Wohnung mit mehreren Zimmern. Ein großer Saal diente als
Unterrichtsraum, in dem die Getreuen jeden Tag aufmerksam seinen Worten folgten.
Hier wurde nur eine einzige Wahrheit verkündet: die zwangsweise Bekehrung der Falschgläubigen, die Abschaffung des Pharaonentums und die Unterwerfung der Frau. Wieder und wieder wurden diese Punkte angesprochen, damit sie sich seinen Zuhörern einprägten. Shab der Krumme, ein Schüler der ersten Stunde, kümmerte sich um die Wankelmütigen. Wer sich nicht ohne Einschränkungen der Lehre unterwarf, fand ein grausames Ende. Mit seinem Silexmesser schnitt ihnen Shab die Kehle durch, und ihre Leichname dienten als abschreckendes Beispiel. Auf dem Weg zum Sieg konnte nicht die kleinste Schwäche geduldet werden.
Der jüngste Schüler des Propheten, Dreizehn, hatte einen untrüglichen Sinn für Feiglinge, und Shab hatte nichts dagegen, dass er sie erst folterte und dann ohne weiteres tötete, weil er wusste, dass Dreizehn ganze Arbeit leistete. Ein Recht auf Überleben hatte nur, wer für die gute Sache sein Leben aufs Spiel setzen wollte.
Bina lebte zurückgezogen und verließ ihre Räume nur selten. Im Dienste ihres Herrn und Meisters hatte sie eine Ausnahmestellung. War es nicht ein ganz besonderes Vorrecht, dass sie die Geliebte des Propheten sein durfte?
Dies missfiel jedoch Ibcha, dem Anführer der asiatischen Truppe. Er war in die hübsche junge Frau verliebt und passte jede der seltenen Gelegenheiten ab, sie zu sehen. Verantwortlich für zwei misslungene Einsätze in Dahschur und in Kahun, genoss er dennoch nach wie vor das
uneingeschränkte Vertrauen seiner Landsleute. Zu seinem Erstaunen hatte ihm selbst der Prophet wegen dieser Fehlschläge keinerlei Vorwürfe gemacht, und der ehemalige Hüttenfachmann mit seinem dichten Bart gehörte auch weiterhin zu seinem Stab.
»Du wirkst ziemlich unruhig, Dreizehn.«
»Und du, du etwa nicht? Unser Herr hätte nicht allein gehen sollen!«
»Mach dir keine Sorgen. Schließlich kann der Prophet sogar die Wüstenungeheuer bezwingen.«
»Schon, aber wir sind alle verpflichtet, für seine Sicherheit zu sorgen. Ohne ihn wären wir verloren.«
Dreizehn war außer sich gewesen, als er über einen Sandläufer, dem die Grausamkeit von Amu dem Syrer nicht unbekannt war, von Ikers Tod erfahren hatte. Nicht dass der Junge irgendwelche Zuneigung für den Schreiber empfunden hätte, aber er wollte seinen Widerstand brechen und ihn zu einem rachsüchtigen Hampelmann machen, mit nichts anderem im Sinn als dem Kampf gegen einen Pharao, der ihn im Stich gelassen hatte. Als Amu den Stamm der Kanaaniter niedergemetzelt hatte, den er mit Ikers Umerziehung beauftragt hatte, hatte er diesen schönen Plan zunichte gemacht. Und da Amu für seinen Hass auf Ägypten bekannt war, musste man über das Schicksal des Königlichen Sohnes nicht rätseln.
»Beim nächsten Mal folge ich dem Propheten«, versprach Dreizehn. »Und wenn ihn jemand bedroht, greife ich ein.«
»Solltest du nicht
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