Der Weg des Feuers
Pharao als Osiris dar, beauftragt, göttliches Leben zu empfangen und weiterzugeben. Solange es eine Behausung gab, die ihm Schutz bot, konnte Ägypten den Mächten der Finsternis widerstehen.
Jeden Tag vollzogen nun im Auftrag des Pharaos Priester das Ritual, das die Prozession der Opferträger in Bewegung setzte und das Gespräch zwischen dem König und den Gottheiten wirklich werden ließ.
Dann betrat Sesostris den unterirdischen Teil des Gebäudes und ging bis in den Saal, in dem der Sarkophag stand – dieses Schiff aus rotem Granit, in dem sein lichter Körper fahren sollte. Der übernatürliche Friede, der hier herrschte, bestärkte Sesostris in seinem Willen, gegen den bösen Geist zu kämpfen, der die Auferstehung von Osiris verhindern wollte. Und während der König diesen Stein der Ewigkeit betrachtete, entstand in ihm die Überzeugung, dass Iker nicht tot war – nein, er lebte.
Eril hatte sich vor rund zehn Jahren in Memphis niedergelassen und genoss seinen Erfolg. Er war zur Hälfte Libanese, zur Hälfte Syrer und stand inzwischen an der Spitze eines Heers von öffentlichen Schreibern, die für den Zugang zu höheren Ämtern ungeeignet, aber auf ihrem Gebiet sehr sachkundig waren: der Regelung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen und Behörden.
Ohne reichlich Schmiergelder, die er geschickt verteilt hatte, und ohne den ausgiebigen Gebrauch von Bestechung hätte Eril niemals diesen Posten bekommen, den er mittlerweile schon lange besetzte. Im Schatten seines Vorgängers, einem kleinen eitlen Willkürherrscher, der am Hof gut eingeführt war, brachte er es zu Wohlstand und hatte von diesem guten Meister die Kunst erlernt, sich seiner Gegner ohne Umschweife zu entledigen, indem er sich den Ruf eines anständigen Mannes zulegte.
An diesem Abend nun stand Eril ein neuer Höhepunkt bevor. Er, der Emporkömmling, der Mann, der aus dem Hintergrund handelte, sah sich endlich als bedeutende Persönlichkeit anerkannt – Sehotep hatte ihn zum Abendessen eingeladen!
Der Tag war mit Besuchen beim Haarschneider, bei der Hand-und Fußpflege, beim Dufthändler und beim Schneider vergangen, um aus Eril einen hoffähigen Würdenträger zu machen. Jeder wusste, dass Sehotep Geschmacksverirrungen verabscheute. Da er seinen Körper von äußerst anerkannten Fachkräften hatte bearbeiten lassen, musste Eril keine Schnitzer befürchten.
Was ihm Angst machte, war die Frage, wer außer ihm an diesem Abend eingeladen war. Ganz im Gegensatz zu Sehotep lag dem Herrn über die öffentlichen Schreiber nämlich überhaupt nichts an der Gesellschaft von Frauen. Da aber mit Sicherheit einige anwesend sein würden, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als ihr albernes Getue und ihr dummes Geschwätz zu ertragen. Die Einladung an den Tisch eines Mitglieds des Königlichen Rates war solche kleinen Unannehmlichkeiten allemal wert. Außerdem war dieser Abend sehr wahrscheinlich das Vorspiel zu einer Beförderung. Vielleicht hätte er sogar Gelegenheit, einen Teil seiner ehrgeizigen Ziele anzusprechen, natürlich mit der angemessenen Zurückhaltung.
Die Gerüchte hatten nicht übertrieben: Sehoteps großes Haus war tatsächlich bis in die kleinste Kleinigkeit eine wahre Augenweide, und der prachtvolle Garten raubte einem schier den Atem.
Doch der Neid stieß dem kleinen Bärtigen sauer auf. Warum hatte nicht auch er Anspruch auf solchen Prunk? Besaß er denn eigentlich wirklich weniger Vorzüge und Verdienste als dieser Sohn aus begüterter Familie?
Ein Dienstbote empfing Eril ehrerbietig und führte ihn in einen großen Raum, in dem es angenehm nach Lilien duftete. Auf niedrigen Tischen standen appetitliche Häppchen, Fruchtsäfte, Bier und Wein bereit.
»Bitte nehmt doch Platz«, bat ihn der Verwalter. Aber Eril war unruhig und wollte lieber im Zimmer auf und ab gehen, solange er auf seinen Gastgeber wartete. Er knabberte an einer jungen Zwiebel mit Bohnenmus und bewunderte die Wandmalereien, die Kornblumen, Mohn und Chrysanthemen darstellten.
»Bitte entschuldigt meine Verspätung«, bat Sehotep, als er seinen Gast begrüßte. »Ich wurde im Palast aufgehalten, und Angelegenheiten des Reichs haben nun einmal Vorrang. Möchtet Ihr ein Glas Wein?«
»Ja, gern. Ich bin wohl etwas zu früh, scheint mir, weil sonst noch keine Gäste eingetroffen sind…«
»Ihr seid heute Abend mein einziger Gast.«
Eril gelang es nicht, seine Überraschung zu verbergen. »Das ist aber eine große Ehre für mich!«
»Und für mich
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