Der Weg des Feuers
eigentlich seinen Befehlen gehorchen?«, erinnerte ihn Ibcha.
»Manchmal muss man auch ungehorsam sein.«
»Da treibst du aber ein gefährliches Spiel, mein Junge.«
»Er würde mich verstehen. Er versteht mich immer!«
Die blinde Leidenschaft dieses Jungen und der anderen Anhänger des Propheten begann Ibcha zu beunruhigen. Natürlich musste man die ägyptischen Besatzer vertreiben und das Land Kanaan befreien, aber welche Macht würde dann über diese Gegend herrschen? Dieser Jugendliche träumte von Gemetzeln, sein Herr wollte Ägypten, Asien und noch mehr erobern. Liefen sie nicht Gefahr, in einem mörderischen Wahnsinn zu versinken, der nur in einem Unglück enden konnte? Wie gern hätte sich Ibcha mit der schönen Bina besprochen, sich ihr anvertraut und sie nach ihrer Meinung gefragt, aber sie blieb weiter unzugänglich. Diese Frau, die einmal so wild und unabhängig gewesen war, benahm sich jetzt wie eine Sklavin. War das nicht das Schicksal aller Getreuen des Propheten, die an den Lippen dieses Predigers hingen?
»Da ist er!«, rief Dreizehn. »Er kommt zurück!«
Ruhigen Schritts ging der Prophet an der Spitze einer kleinen Gruppe.
»Gebt diesen Kämpfern für den wahren Glauben zu essen und zu trinken«, ordnete er nur an.
Shab der Krumme klopfte Schiefmaul auf die Schulter.
»Na, bist du endlich reumütig zurück! Das hat aber gedauert, bis du es verstanden hast. Dein Platz ist hier bei uns und nirgendwo anders. Fern vom Herrn erlebst du doch nur Fehlschläge. Unter seinem Befehl wirst du siegen.«
»Deshalb muss ich mir aber noch lange nicht dein Geschwätz anhören!«
»Eines Tages wird sich auch deine Seele der Lehre des Propheten öffnen.«
Shabs Leidenschaft für Mystik ging Schiefmaul gegen den Strich, aber jetzt war keine Zeit für Streitereien. Der rohe Kerl war viel zu froh, dass er so glimpflich davonkommen sollte, und stärkte sich, während er den Hauptsitz des großen Herrn besichtigte.
»Schlau gewählt, sehr schlau… Hier kann Euch keiner überraschen.«
»Der Prophet irrt nie«, erinnerte ihn der Krumme. »Gott spricht durch seinen Mund und sagt ihm, was er tun muss.«
Eine hübsche dunkelhaarige Frau kam aus der Hauptgrotte, kniete vor dem Propheten nieder und reichte ihm eine Schale mit Salz.
»Was für ein wunderbares Weib«, meinte Schiefmaul anerkennend.
»Lass bloß Bina in Ruhe. Sie ist die Dienerin des Propheten geworden.«
»Ist unserem hohen Herrn etwa langweilig?«
Shabs Miene verdüsterte sich. »Ich verbiete dir, so über den Herrn zu reden.«
»Ja ja, schon gut, reg dich nicht auf! Eine Frau bleibt eine Frau, das gilt auch für Bina. Da müssen wir keine Geschichte draus machen.«
»Doch, sie ist anders. Der Prophet bildet sie für große Aufgaben aus.«
Das fehlte gerade noch!, dachte sich Schiefmaul und verschlang einen Auflauf aus dicken Bohnen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er dabei, wie ein Bärtiger Bina ansprach, als sie gerade zurück in die Höhle wollte.
»Ich muss dich sprechen«, sagte Ibcha leise.
»Das bringt nichts.«
»Ich habe mich auf deinen Befehl hin geschlagen, ich…«
»Unser einziger Herr ist der Prophet.«
»Bina, glaubst du denn wirklich… «
»Ich glaube nur an ihn.«
Sie verschwand.
Auch Shab hatte es gesehen und berichtete es unverzüglich seinem Herrn.
»Mach dir darum keine Sorgen. Nach den beiden
jämmerlichen Misserfolgen, die er zu verantworten hat, bekommt er jetzt eine Aufgabe, die zu ihm passt.«
Sie waren nicht weniger als dreißig. Dreißig Oberhäupter von kleinen und großen kanaanitischen Stämmen, waren dem Ruf des Propheten gefolgt. Die einen aus besorgter Neugierde, die anderen, weil sie entschlossen waren, auf ihre vollkommene Unabhängigkeit zu beharren, aber alle begierig darauf, diesen Menschen kennen zu lernen, den die meisten unter ihnen für ein Schreckgespenst oder einen erfundenen Geist hielten, mit dem man Ägypten den Schlaf rauben wollte.
Ein kleiner Dicker mit rotem Bart ergriff das Wort.
»Ich heiße Dewa und spreche im Namen des ältesten aller Stämme Kanaans! Niemand hat uns jemals besiegt, und niemand wird uns jemals Befehle erteilen. Wir überfallen, wen wir wollen und wann wir wollen. Wozu soll diese Versammlung also gut sein?«
»Eure Uneinigkeit ist eure Schwäche«, sagte der Prophet mit sanfter Stimme. »Der Feind ist nicht unverwundbar. Wenn ihr ihn besiegen wollt, müsst ihr euch aber einig sein. Deshalb mein Vorschlag: Vergesst eure Streitereien, begebt euch unter
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