Der Weg des Feuers
Ende. Dann hätte der Prophet gesiegt.«
»Es gibt aber keine andere Möglichkeit, den wütenden Nil zu bändigen.«
»Wenn Ihr es für möglich haltet, dass mir das gelingen könnte, will ich an Eurer Stelle handeln.«
»Die Höhle wird schnell überflutet sein, ich habe kein Recht, dein Leben so aufs Spiel zu setzen.«
»Unser aller Leben stehen auf dem Spiel, Majestät. Wenn ich jetzt vor der drohenden Sintflut flüchte, erfülle ich doch wohl nicht meine Pflichten als Priesterin? Ihr habt mir gestattet, die ersten Schritte zur Einweihung in die großen Mysterien zu gehen. Jetzt will ich mich dieses Vorrechts als würdig erweisen. Da es nun auch schon zu spät ist, meine Vorgesetzten zu befragen, und Eure Pflichten nach Euch rufen, wüsste ich nicht, welchen anderen Weg ich gehen sollte.«
Iker rollte den letzten Papyrus zusammen und verschloss die Holzkiste, die ein Schreibergehilfe sofort wegtrug. Die Verwaltungsarchive von Elephantine waren gerettet. Der Königliche Sohn versicherte sich noch einmal, dass auch nicht ein einziges Schriftstück vergessen worden war. Dank Sarenputs starker Hand verlief die Evakuierung der Bevölkerung ruhig und wie vorgesehen. Die Bürger versuchten vergeblich, sich Mut zu machen, indem sie ihre wichtigsten Habseligkeiten mitnahmen. Die Angst schnürte ihnen den Magen zu und wurde nur durch die Gegenwart des Pharaos ein wenig gemildert. Anstatt die gefährliche Gegend zu verlassen, stand er an vorderster Front dem Unheil gegenüber.
»Der Kanal ist fertig gestellt und einsatzbereit«, berichtete Sehotep. »Auch die schlimmste aller Nilüberschwemmungen wird ihm keinen Schaden zufügen.«
»Wir sollten Sesostris in der Festung aufsuchen«, schlug Sekari vor, der wie üblich überall herumgesucht hatte, weil er versteckte Widerständische befürchtete.
Warum allerdings sollte sich der Feind in eine Stadt einschleichen, die dem Untergang preisgegeben war?
Nach Sehoteps Plänen hatten die Soldaten ganze Arbeit geleistet. Das alte, ein wenig baufällige Gemäuer hatte sich in eine Festung verwandelt, deren Fundament aus massiven Granitblöcken bestand. Von der Spitze des Hauptturms aus beobachtete der Pharao den ersten Nilkatarakt. Brodelnde Wassermassen umspülten die Felsen. Bald würden sie verschwunden sein.
»Eigentlich müsste die Festung dem Druck des Wassers standhalten«, sagte Sehotep, »aber ich bin mir nicht ganz sicher. Deshalb wäre es besser, Ihr würdet Euch in Sicherheit bringen, Majestät.«
»Nein, auf keinen Fall, mein Platz ist hier vorne. Das gilt aber nicht für meine getreuen Gefährten.«
»Falsch«, widersprach Nesmontu mürrisch. »Meine Soldaten halten dieses Gebäude besetzt, und ich bin ihr Herr. Würde ich sie hier allein lassen, käme das einer Flucht gleich. Haltet Ihr mich wirklich einer solchen Feigheit fähig, und das in meinem Alter?«
»Dieses Schauspiel ist wirklich beeindruckend«, fand Sekari.
»Ich möchte es auf keinen Fall verpassen. Vielleicht hat Seine Majestät ja einen dringenden Auftrag für mich?«
»Entweder bin ich ein ernst zu nehmender Baumeister, dann habe ich nichts zu befürchten«, erklärte Sehotep. »Oder aber ich bin unfähig, dann wird mich der Fluss dafür bestrafen.«
»Ist der Platz eines Sohnes etwa nicht in der Nähe des Vaters?«, fragte Iker.
»Sollten wir untergehen, werden die Königin und der Wesir nicht aufgeben«, betonte Nesmontu. »Zusammen und an der Seite des Pharaos kann uns nichts geschehen. Der Pharao ist unsterblich.«
Sesostris wollte seine Zeit nicht mit unnützem Palaver verschwenden und duldete die Entscheidung seiner engsten Vertrauten. Seine strenge Miene verriet nichts von der tiefen Rührung, die dieser Freundschaftsbeweis in ihm hervorgerufen hatte.
Die Wasser donnerten immer lauter.
Nie zuvor war die Schwemme so schnell gestiegen.
»Wisst Ihr, wohin sich Isis geflüchtet hat, Majestät?«, fragte Iker.
»Sie spricht die Besänftigungsworte in der Grotte des Hapi, dem Geist der Überschwemmung.«
»In einer Grotte… Wird die denn nicht überflutet?«
»Isis ist unsere letzte Zuflucht. Gelingt es ihr nicht, die Enneade zu wecken, die sich im Innersten der Fluten verbirgt, müssen wir alle sterben.«
Alle schwiegen voller Angst, ein Schweigen, das nur von Fangs kläglichem Gebell und Nordwinds schrillem Geschrei unterbrochen wurde.
Dann eröffnete eine gewaltige blutrote Flutwelle den Angriff des entfesselten Stroms.
Isis betete zu Atum, dem Schöpfergott, dessen Name
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