Der Weg des Feuers
Rundungen der Sterne vorbei, wurde selbst ein Stern und tanzte wie die Planeten.«
»Ob das wohl nur ein erdichtetes Bild ist, oder hat jemand wirklich diese Erfahrung gemacht?«
»Das könnte Euch nur einer beantworten, der in die Mysterien des Osiris eingeweiht ist.«
»Ihr lebt doch in Abydos, Isis, und kennt die Wahrheit!«
»Ich bin auf dem Weg dorthin, aber vor mir liegen noch viele Türen, die ich durchschreiten muss. Aber welchen Sinn hätte unser Dasein ohne die Erkenntnis und die Entdeckung der Schöpfungskräfte? Wie hart diese Prüfungen auch immer sein werden, ich gebe niemals auf.«
»Betrachtet Ihr mich als Hindernis auf Eurem Weg?«
»Nein, Iker, nein… Aber Ihr verwirrt mich. Ehe ich Euch begegnet bin, beanspruchten die Mysterien des Osiris meine gesamte Aufmerksamkeit. Jetzt aber bleiben einige meiner Gedanken immer bei Euch.«
»Obwohl auch ich mir zum Ziel gesetzt habe, diese Mysterien kennen zu lernen, muss ich doch zuallererst dem Pharao gehorchen. Er ist der Einzige, der mir vielleicht eines Tages den Zutritt zu Abydos gewähren kann. Das hindert mich aber nicht daran, Euch zu lieben, Isis. Warum sollte diese Liebe uns bei unserer Suche hinderlich sein?«
»Das frage ich mich jeden Tag«, gab sie gerührt zu. Könnte er nur ihre Hand nehmen, sie umarmen… Aber damit würde er wahrscheinlich den winzigen Hoffnungsschimmer zerstören, der gerade aufgeflackert war.
»Jeden Tag liebe ich Euch mehr. Für mich kann es keine andere Frau geben. Entweder Ihr oder keine.«
»Übertreibt Ihr nicht ein wenig? Ich glaube, Ihr seht an mir Tugenden, die ich gar nicht habe.«
»Nein, Isis, ohne Euch hat mein Leben keinen Sinn.«
»Ich finde, wir sollten jetzt nach Elephantine zurückkehren.«
Iker ruderte sehr langsam.
Sie war bei ihm, ganz nah und doch so unnahbar! Aber allein dass sie da war, genügte, um für ihn die Sonne in der beginnenden Nacht strahlen zu lassen.
Am Ufer erwartete sie Sekari.
»Wir müssen sofort in den Palast. Der Pharao hat gerade eine sehr schlechte Botschaft erhalten.«
30
Die für das Nilometer von Elephantine zuständigen Fachleute waren bestürzt.
Wenn ihre Berechnungen stimmten, würde die bevorstehende Nilschwemme gewaltig, also gefährlich und zerstörerisch sein. Jeder kannte die Zahlen und ihre Bedeutung: zwölf Ellen hoch hieß Hungersnot; dreizehn leerer Bauch; vierzehn bedeutete Glück; fünfzehn das Ende aller Sorgen; sechzehn vollkommene Freude. Ging der Stand darüber hinaus, war mit ernsten Schwierigkeiten zu rechnen.
»Wie groß ist das Ausmaß der Gefahr?«, fragte Sesostris den Leiter der Fachleute.
»Das wage ich Euch gar nicht zu sagen, Majestät.«
»Es wäre ein großer Fehler, die Tatsachen zu beschönigen.«
»Natürlich kann ich mich täuschen, auch meine Kollegen können sich irren. Aber wir befürchten eine Art Sintflut, eine gewaltige Flutwelle, die an Kraft und Höhe alles übertrifft, was wir seit der ersten Dynastie erlebt haben.«
»Das heißt mit anderen Worten, dass ein Großteil unseres Landes zerstört werden könnte?«
Mit zitternden Lippen und so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte, bejahte der Mann.
Auf der Stelle rief der Pharao Sehotep, Nesmontu, Iker und Sarenput zu einer Besprechung zusammen.
»Sarenput, du bist dafür zuständig, dass die Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln auf den Hügeln und in der Wüste in Sicherheit gebracht wird. Du sicherst die Festung, Sehotep, der Feind könnte den Beginn der Schwemme dazu nutzen, uns anzugreifen. Und sieh zu, dass der Kanal so schnell wie möglich fertig wird. Nesmontu ist für die Verstärkung unserer Sicherheitsmannschaften zuständig. Iker, du betreust die Schreiber und Handwerker und lässt Medes eine Warnung schreiben, die an alle Städte Ägyptens verschickt werden muss. Der Wesir möge sich darum kümmern, dass umgehend alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.«
Medes wollte sich nicht überzeugen lassen.
»Sind wir wirklich in Gefahr?«
»Die Fachleute sind sich vollkommen sicher«, antwortete Iker.
»Unser Land hat schon starke Schwemmen erlebt, deswegen haben wir nie die Beherrschung verloren!«
»Diesmal kündigt sich ein nie da gewesenes Naturereignis an.«
»Die Boten werden gleich morgen aufbrechen. Dank meiner neuen Schiffe kann die Warnung sehr schnell verbreitet werden.«
»Die Militärboten sollen auch noch die entlegensten Dörfer aufsuchen und den Befehl zur Räumung verbreiten. Die Dorfvorsteher müssen die
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