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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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die tausenden Jahre seines Daseins nicht angesehen.
    Nun schritt er, majestätisch wie ein König, durch den kleinen, dunklen Raum und blieb direkt neben mir stehen, den Blick ebenfalls in die samtig schöne Nacht gerichtet. Eine Weileschwiegen wir beide, und ich spürte, wie sich mein Körper innerlich anspannte, abwartete, was als Nächstes passieren würde.
    »Elf Jahre Vorbereitung, elf Jahre harte Arbeit gipfeln Morgen in deinem ersten Auftrag.« Er wandte sich mit einem eiskalten Augenaufschlag wieder an mich. »Fühlst du dich ausreichend vorbereitet, um diesen Weg zu gehen?«
    In seiner tiefen Stimme schwang der unüberhörbare Klang einer bestimmten Erwartung mit- wie eine unterschwellige Drohung. Auf diese Frage gab es nur eine mögliche Antwort.
    »Ja, Vater.« Es klang genauso tonlos und leer, wie es sich in meinem Inneren anfühlte.
    »Gut, gut.« Mit dieser Antwort war er scheinbar zufrieden, denn er wandte seinen Blick wieder den Sternen zu, seufzend, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Du wirst die Menschenwelt sicher mögen. Es ist ein wunderschöner Ort mit vielen Chancen und Möglichkeiten. Viel zu wertvoll für solch grobe, unsensible Wesen, wie die Menschen es sind, aber so war es Gottes Wille. Außerdem störendiese ganzen Fliegen, die ihren Weg nicht zurück in die tiefsten Tiefen der Hölle gefunden haben, doch selbst darum kümmern wir uns im Moment. Dir und den anderen Absolventen der Akademie sei Dank.«
    Für einen Augenblick, eine Millisekunde lang, konnte ich eine Art Lächeln in seinen Mundwinkeln erkennen und die Überraschung über solch eine Gefühlsregung konnte ich nur mit Mühe verbergen. Es gab Dinge, die ich selbst bei meinem eigenen Vater nicht kannte, wenn sie nicht überschwänglich und gekünstelt an die Wesen gerichtet waren, die wir als unsere Kinder bezeichneten.
    »Sind die Dämonen immer noch eine so große Gefahr?«
    »Gefahr?!« Mein Vater ließ ein verächtliches Schnauben hören, er schien mit einer Gefühlsmischung aus Amüsement und Verärgerung zu ringen. »Die Dämonen sind nicht gefährlich, sie sind eher wie eine Horde zahnloser, alter Hunde. Zum Kämpfen sind sie zu faul, die Flucht ist ihre Lieblingssportart. Dank umfangreicher Maßnahmen unsererseits ist ihreAnzahl geschrumpft, sie sind in unserer Umgebung eine kleine Rarität geworden.«
    Meine Gedanken ließen sich nicht abschalten, egal, wie sehr die Akademie auch versucht hatte, die eigenständigen unter ihnen zurückzudrängen. Es war nicht gern gesehen, wenn man etwas hinterfragte, aber meinem Vater gegenüber erlaubte ich mir dennoch, diese Frage zu stellen: »Und doch haben wir jahrelang gelernt, wie wir die Dämonen bekämpfen, sie töten und die Menschen vor ihnen schützen. Warum?«
    Wie erwartet fiel ein ungnädiger Blick auf mich. »Ich höre es nicht gerne, wenn du so etwas fragst. Das weißt du doch, Nero?«
    »Ja, Vater.«
    Er seufzte, als hätte ich stundenlang um etwas gebettelt. Eine Sache, die ich nie im Leben wagen würde. »Du kennst doch die Geschichte, wie die Unsterblichen in die Welt der Menschen kamen. Du kennst die Geschichte, wie sie damals den Aufstand begannen und wie wir sie besiegt und in die Hölle zurückgeschickt haben.«
    Es war keine Frage, dennoch nickte ich sofort. Es gab nichts, was ich in meinem Leben so oftgehört hatte, wie diese Geschichte. Vater hatte sie mir im Kindesalter oft zum Einschlafen erzählt. Einer der wenigen, intimen Momente, die wir zusammen verbracht hatten.
    »Dann erinnerst du dich vielleicht auch, dass es uns nicht gelungen ist, alle Dämonen aus der Menschenwelt zu vertreiben. Einige von diesen Wesen weilen noch immer in unserer Mitte und verhandeln mit den Menschen. Sie sind wie Parasiten, und wenn sie es schaffen, die Menschen zu beeinflussen und auf ihre Seite zu ziehen, könnten wir unsere Macht über die Menschheit verlieren.«
    Vater lockerte die Hand, die er bis eben zitternd vor Wut zusammen gepresst hatte. »Aber es sind keine tiefen Beziehungen, die die Dämonen zu unseren Kindern unterhalten. Momentan ist es nur das Geld, das sie interessiert. Dämonen kommen nicht ihrer Bequemlichkeit davon und wenn sie Ärger riechen, verschwinden sie einfach. Dann haben wir einige hundert Jahre Ruhe vor ihnen.«
    Auch wenn ich meinen Blick wieder gen Himmel gerichtet hatte, spürte ich seine eiskaltenAugen von der Seite auf mir ruhen. »Wenn du schon so freche Fragen stellen kannst, dann kannst du mir auch sicher einige der meinen

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