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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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beantworten?«
    Meine Schultern strafften sich, fast automatisch nahm ich die gerade Haltung eines ausgebildeten Soldaten an. »Ja Vater.«
    »Was tut ein Soldat, der von der Akademie ausgebildet wurde, wenn ihm Vorkommnisse verdächtig vorkommen und er Verstöße gegen das Gesetz vermutet?« Seine Stimme war begleitet von einer Schärfe, die Glas hätte schneiden können.
    Ich wiederholte ohne Nachzudenken jedes auswendig gelernte Wort aus der Theorie, die ich jahrelang studiert hatte: »Er verfolgt das verdächtige Subjekt, beobachtet es und nagelt es bei sich bietender Gelegenheit fest.«
    »Was macht der Soldat mit einem Menschen, der sich offensichtlich mit Dämonen herumtreibt, sogar handelstechnisch mit ihnen verkehrt?«
    »Weiter beobachten, um mögliche andere Kontakte aufzudecken und zu unterbinden, außerdem unverzüglich Bericht erstatten.«
    »Und mit den Dämonen?«
    »Auf der Stelle töten.«
    Wieder war ein leichtes Zucken in seinen Mundwinkeln zu erkennen, das ein Unwissender für einen Anflug von Stolz gehalten hätte. Aus eigener Erfahrung wusste ich jedoch, dass er niemals stolz auf mich gewesen war. Höchstens ein ums andere Mal etwas weniger unzufrieden.
    Nun kam sein Gesicht dem meinen gefährlich nah und die dunkle Stimme wurde zu einem Flüstern: »Sei dir deiner Sache nicht zu sicher, Nero. Ich dulde kein Versagen, bei keinem der Soldaten und am allerwenigsten bei meinem eigenen Sohn. Hast du das verstanden?«
    Die Drohung in der Luft war fast greifbar, und ich spürte deutlich, wie sich wieder die feinen Härchen auf meinen Armen aufstellten. Eine der wenigen Gefühlsregungen, die ich überhaupt noch kannte, durchzuckte mich wie ein Gewitterblitz. Es war Angst. Auch wenn er mein Vater war, in den meisten Fällen war es das einzige Gefühl, das ich für ihn aufbringen konnte, und ich war mir sicher, dass es genau das war, was er erwartete. Als hohes Tier in unsererGesellschaft war ihm Angst schon immer lieber gewesen als Respekt oder gar Zuneigung.
    »Du solltest langsam zu Bett gehen. Ich erwarte dich morgen sehr früh auf den Beinen. Gute Nacht.«
    Und schon war er wieder durch die Tür verschwunden und ließ einen mit Spannung und eisiger Erwartung gefüllten Raum zurück.
    Ich stützte meine Arme auf das Fensterbrett, verlagerte mein Körpergewicht nach vorn und kühlte mein heißes Gesicht am kühlen Glas. Seit Jahren war ich hier in der Akademie, kannte keinen anderen Ort mehr auf der Welt, nicht einmal an mein vergangenes Zuhause erinnerte ich mich. Und schon seit dem Anfang meiner Zeit hier empfand ich jedes Gespräch mit meinem Vater als sehr ermüdend und anstrengend.
    Eine Weile noch hielt ich meine Stellung, bevor ich das T-Shirt über meinen Kopf zog und achtlos zu Boden fallen ließ. Noch einmal fuhr ich mit dem Zeigefinger über das Tattoo, das für mein Leben so viel bedeutete, genoss das beinahe unangenehme Gefühl der Gänsehaut aufmeiner Haut. Dann wandte ich mich ab und ließ mich auf das Bett fallen.
    Vater hatte recht, ich wartete schon seit Jahren auf den morgigen Tag. Niemand würde mich mehr halten können, ich würde jeden einzelnen Dämon töten, der es wagte, mir unter die Augen zu treten. Denn ich verspürte nicht das geringste Verlangen danach, meinen Vater zu enttäuschen.

7
    Noé . - Schon seit ich aus der Schule heimgekommen war, trat ich ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Bei jedem neuen Gedanken zogen sich meine Eingeweide nervös zusammen und meine Mutter hatte mich nach draußen in den Garten geschickt, weil ich sie nervös machte. So saß ich seit einer Stunde auf unserer Hollywoodschaukel, mit unruhig baumelnden Beinen und wartete auf den Moment, den ich so sehr fürchtete.
    Es war der Tag der Rede, und es würde nicht mehr lange dauern, bis wir endlich losfuhren. Ich hatte riesige Angst vor dem, was auf mich zukam, und es gab noch einige andere Dinge, die mir auf den Magen schlugen. Unter anderem das Aufeinandertreffen von Lian und Azriel am Vortag und was danach geschehen war.
    »Ich frage mich, ob es auch Tage gibt, an denen du nicht so schaust, als würde in deinem Kopf ein Boxkampf stattfinden.«
    Ich zuckte zusammen und stöhnte auf. »Und ich frage mich, ob es Tage gibt, an denen du mich mal nicht zu Tode erschreckst.« Ein unsicherer Blick in Richtung Haus, bevor ich mich zur Seite drehte.
    Azriel saß auf der linken Armlehne unserer Schaukel und grinste, wie er es immer tat.
    Mir war absolut nicht nach spaßen zumute. Schon gar nicht,

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