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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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Decke verkrochen. Die Spindtür hing bereits offen in der Luft und ich starrte gedankenversunken an ihr vorbei, als ich ihn auf einmal sah.
    Er stand am Ende des Ganges, die Arme verschränkt und die fast abnormal blauen Augen in die Ferne gerichtet. Der Unsterbliche von gestern. Wie hatte sein Kollege ihn genannt? Nero…
    Ich verschwand fast vollständig hinter der Spindtür und schielte vorsichtig zu ihm hinüber. Im Gegensatz zum Vorabend hatte ich jetzt die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Er trug eine schwarze Hose und die fast kniehohen Stiefel von gestern, heute hatte er allerdings nur ein dunkles T-Shirt darüber an, und man konnte seine durchtrainierten Arme sehen. Überhaupt schien an seinem Körper kein Gramm Fett zu viel. Seine Haare waren halblang und hatten die Farbe von purem Kaffee. Seine Frisur war, wieder Rest seines Körpers, einfach nur als perfekt zu bezeichnen, auch wenn ich mich gegen diesen Gedanken wirklich wehren wollte. Alles in allem war er ein typisches Exemplar der Unsterblichen.
    Kurz blieb ich einfach stehen und überlegte, was ich tun sollte. Aber nach wenigen Sekunden kam ich zu dem Schluss, dass ich nichts zu verlieren hatte. Also warf ich alle Zweifel über Bord, knallte meine Spindtür zu und marschierte selbstbewusst auf ihn zu.
    »Hey, Nero.«
    Langsam, als würde er sich in Zeitlupe bewegen, hob er den Kopf und starrte mich wortlos an. Komischerweise wurde ich bei seinem Blick direkt wieder unsicher, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. »Wir haben uns gestern kennengelernt, du erinnerst dich vielleicht noch daran. Mein Name ist…«
    »Noé, ich weiß.« Seine Stimme klang immer noch kühl, aber längst nicht mehr so hasserfüllt wie am Vorabend. Ich musste ihn wohl ziemlich entgeistert angestarrt haben, denn er fügte noch ein paar Worte an: »Der Dämon hat deinenNamen erwähnt, und ich habe ein ziemlich gutes Gedächtnis.«
    »Achso.« Nun rutschte doch wieder dieser elende, unsichere Blick in mein Gesicht. »Warum hast du den anderen gestern angelogen?«, stellte ich direkt die Frage, die mich am meisten beschäftigte.
    Nero sah mich an. »Ich hatte meine Gründe, nimm es einfach so hin und freue dich darüber. Mein Schweigen bewahrt dich vor einigen üblen Strafen.«
    Das machte mich nicht schlauer, aber seine Stimme und die Art, wie er es sagte, ließen keinen Zweifel: Er hatte es sicher nicht aus Mitleid getan. Hatte ich aber auch nicht erwartet.
    »Hast du es irgendjemand anderem erzählt?«
    Er gab nur einen missbilligenden Laut von sich, also setzte ich noch einmal an: »Ich habe keine große Lust, ins Gefängnis zu wandern und außerdem…werden sie ihn dann töten.«
    Seine Augen wurden groß vor Überraschung. »Ihn? Den Dämon? Was kümmert es dich, wenn der Dämon stirbt? Soweit ich weiß - und ich denke nicht, dass sich das in den vergangenenJahren geändert hat - haben sie mehrere Leben. Sie sind zwar nicht unsterblich, aber widerstandsfähig wie Kakerlaken.«
    Wie er das sagte … so kalt, so emotionslos. Es machte mich wütend. Genau das war der Grund, warum ich die Unsterblichen nicht mochte. Uns gegenüber waren sie genauso, auch wenn niemand das wahrhaben wollte. Wir waren ihnen genauso egal wie die Dämonen. Und es war einfach unerträglich, dass nur ich das zu sehen schien, was so offensichtlich war.
    »Und nur weil sie mehrere Leben haben, ist es ok? Du bist auch unsterblich, ist es deswegen ok, auf dich zu schießen, wo du den Schmerz doch ebenso spürst?«
    Seine Miene änderte sich nicht, aber in den himmelblauen Augen war Verwunderung zu lesen. Hatte er noch nie so über diese Sache nachgedacht oder war er wirklich überrascht darüber, dass es mich interessierte? Wahrscheinlich letzteres, immerhin waren die Dämonen in seinen Augen nur Übeltäter, die es nicht besser verdienten.
    »Außerdem hat er doch nicht mehr viele…« Ich stockte. Eigentlich hatte ich diesen Satz nur denken wollen. Warum sprach ich so offen darüber mit einem Unsterblichen? Erzählte ihm so viel so frei von der Leber weg? Die Erkenntnis kam plötzlich und traf mich hart wie ein Schlag: Es konnte nicht mehr schlimmer kommen. Nero kannte mein Geheimnis und wenn er wollte, konnte er mich jederzeit auffliegen lassen. Das Einzige, was mich jetzt noch interessierte, war, warum er es noch nicht getan hatte.
    »Er ist weg.« Neros Worte kamen überraschend und ich sah ihn wieder an. »Der Dämon. Ich habe auf ihn geschossen und er ist abgehauen. Es würde mich

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