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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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weniger gefiel mir, in welchem Zusammenhang diese Noé es benutzt hatte. Eigentlich war es unsinnig, sich darüber überhaupt den Kopf zu zerbrechen. Der Dämon war weg, was hatte er für einen Grund, wieder zurückzukommen?
    Und doch - Menschen das Gefühlsleben der Menschen war viel zu leicht zu durchschauen. Ich hatte ihr sofort angesehen, dass Tatsache, dass er weg war, sie ernsthaft verunsicherte. Es überraschte mich und ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
    Ich sprang von der kleinen, steinernen Mauer, die die Schule umschloss. Der letzte Lehrer war vor einigen Minuten gegangen und das Gebäude nun vollkommen menschenleer. Ich hob den Kopf, betrachtete den Himmel über mir, den der anbrechende Abend in rosarote und orangeneFarben tauchte, wie Pinselstriche am Horizont. Vater hatte Recht gehabt: Die Menschenwelt gefiel mir, sie war wirklich schön. Aber wenn man seit frühster Kindheit in einem dunklen Gebäude lebt und nie die Sonne zu Gesicht bekommt, empfindet man alles Neue als schön und angenehm.
    »Sie sind alle weg, wir können also langsam gehen.« Kaijan, ein Junge, mit dem ich ebenfalls zur Akademie gegangen war, kam vom Gebäude her auf mich zu, die Arme verschränkt. Seine hellbraunen Haare standen in künstlich erzeugten, dicken Locken von seinem Kopf ab.
    Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Du bist heute Nacht noch im Wald eingeteilt, habe ich recht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ja, aber ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, da habe ich wenigstens meine Ruhe.«
    Eine Weile überlegte ich, denn es kribbelte mir wirklich in den Fingern. Eine Niederlage, ein solches Versagen von mir einfach hinzunehmen passte nicht zu mir. Vielleicht würde ich im Wald noch mehr Dämonen begegnen, und konntemeinen Fehler wiedergutmachen? Kurz tastete ich nach der Waffe an meiner Seite und nach dem langen Jagdmesser auf der anderen, bevor ich Kaijan wieder ansah.
    »Ich würde heute Nacht gerne deine Schicht im Wald übernehmen.«
    Er hob die Augenbrauen und starrte mich mit einem verständnislosen Blick an. »Spinnst du? Ich tausche nicht meine entspannte Nachtschicht gegen die Morgenschicht in der Schule. Diese ganzen, verrückten Menschenmädchen gehen mir auf den Geist.«
    Ich sah ihn verärgert an, und er wurde direkt einen Kopf kleiner. »Ich habe gesagt, dass ich übernehmen, nicht dass ich tauschen will.«
    »Was? Warum solltest du das tun?«
    »Ich denke nicht, dass dich meine Beweggründe irgendetwas angehen.«
    »Ah, ich verstehe.« Er grinste süßlich und ich hätte ihm dafür am liebsten meine Faust mitten ins Gesicht gedonnert. »Da will sich jemand Papis Respekt erkämpfen, was? Wie süß. Schon gut, mir soll’s allemal Recht sein. Dann bis später!« Leicht hüpfend ging er an mir vorbei,und als ich mich umdrehte, war er bereits verschwunden. Ich blieb noch eine Weile stehen, genoss die letzten Sonnenstrahlen, bevor ich unter dem sich verdunkelnden Himmel langsam in Richtung Wald ging.
    Bei unseren Wachgängen hatten wir alle Freiheiten, die wir benötigten und die wir uns selbst nehmen wollten. Also stand es mir auch frei, die geschlungenen Wege des Waldes entlang zu schlendern und mich meinen Gedanken hinzugeben. Kaijan hatte recht gehabt: Außer den normalen Geräuschen des Waldes war nichts zu hören, es war wirklich ruhig hier.
    Ich hielt auf meinem ziellosen Weg inne, als sich vor mir eine kleine Lichtung auftat. Es war eine kleine Klippe, von der man den Wald überblicken konnte und am Horizont war selbst die nächste Stadt noch zu erkennen.
    Ich stellte mich nahe an den Rand, ließ mir die kühle Luft um die Nase wehen und seufzte. Im Gegensatz zu der belebten Schule, in der die ganze Zeit über das Gelächter und die Gespräche der Menschenkinder durch die Luft schwirrten,war es hier wirklich angenehm. Der Wald strahlte eine Ruhe aus, die für einen Moment undurchbrechbar schien.
    Wie immer waren meine Ohren gespitzt, meine Augen wachsam und meine Muskeln angespannt. Ich stand ständig unter Strom, war ständig auf der Hut, immerhin war das das oberste Gebot, das man in der Akademie eingeprügelt bekam. Und dennoch…
    »Na, wenn das mal nicht die geflügelte Ratte von gestern ist.«
    Die hämische Stimme in meinem Rücken jagte einen eiskalten Schauer durch meinen Körper. Ich fuhr herum, zog gleichzeitig meine Waffe und schoss. Die Kugel schlug neben ihm in einen Baum ein, aber nicht, weil ich schlecht gezielt hatte. Wie konnte ein Wesen sich nur so wahnsinnig schnell bewegen? Ohne

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