Der Weg des Unsterblichen
seinem Vater.
Mit großen Augen sah ich ihn an. »Es sieht sehr hübsch aus, aber eine Frage dazu habe ich schon: Du hast gesagt, dass es ein künstlich erzeugtes Familienmal ist, also ein gestochenes Tattoo, richtig?«
»Richtig.«
»Aber…wann hast du es denn tätowiert bekommen?« Mir kamen unheimliche Bilder von einem großen, tätowierten Typen in den Kopf, der ein armes Kleinkind tätowierte. So grausam konnten doch selbst die Unsterblichen nicht sein, oder?
»Als ich ausgewachsen war.« Er zog den Ärmel wieder zurück und verdeckte damit das schöne Bild. »Vorher hätte es wohl keinen Sinn gemacht, da sich das Tattoo im Wachstum unschön verzogen hätte. Wann das war? Ich denke, ich war vierzehn damals.«
Das war zwar in meinen Augen immer noch kein Alter für ein Tattoo, aber etwas beruhigt war ich dennoch.
»So?« Ich versuchte, meine Neugierde nicht zu stark nach außen dringen zu lassen, auch wenn es mir in diesem Moment wirklich schwer fiel. »Und wie lange ist das jetzt in etwa her?«
Natürlich durchschaute Nero meine Absicht sofort und lächelte mich nachsichtig an. »Du kannst mich ruhig offen danach fragen, wie alt ich bin.«
»Kann ich das? Ich dachte, dass Wesen, die etwas länger auf dieser Erde wandeln als wir Menschen, das Alter als unwichtig ansehen und deswegen nicht so gern darüber sprechen.«
Er sah mich durchdringend an und durchschaute mich schon wieder. »Azriel hat mit dir nicht über sein Alter geredet?«
Ertappt sah ich zu Boden und schüttelte den Kopf. »Er meint, dass er es mir vielleicht mit seinem allerletzten Atemzug mitteilt.« Oh nein, das Thema wurde schon wieder unangenehm. Schnell riss ich den Kopf wieder nach oben. »Na gut, schön. Also: Wie alt bist du, Nero?«
»Siebzehn.«
»Siebzehn? Ist das dein Ernst!?« Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Aus irgendeinem Grund hatte ich erwartet, dass er schon wesentlich älter war, wie es sich für ein unsterbliches Wesen gehörte. In Wirklichkeit aber war ich nur zwei Jahre jünger als er, der schon jetzt ein ausgebildeter Soldat war.
Nero lachte wieder. »Ja. Sehe ich etwa älter aus?«
»Überhaupt nicht.« Ich schüttelte schnell den Kopf. »Ihr seht ja alle nicht älter aus als neunzehn, auch wenn ihr schon hundert Jahre älter seid. Aber wenn wir gerade bei dem Thema sind, muss ich dir noch eine Frage stellen: Wie alt ist dein Vater?«
Das Lächeln verschwand aus Neros Gesicht, und sofort wirkte er wieder so ernst wie immer. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie alt er ist. Wir reden nie über Dinge, die vor meiner Geburt geschehen sind, außer über seine großen Siege in der Politik. Er hat mir beigebracht, dass ich nur in der Gegenwart und in der Zukunft leben soll.«
»Nie?« Ich schluckte. »Und was ist mit deiner Mutter?«
»Ich habe sie nie kennengelernt. Auch habe ich noch nie von jemandem gehört, wie oder wer sie war.«
»Das tut mir leid.« Heute war scheinbar nicht mein Tag. Ich hatte das Gefühl, dass ich momentan von einem Fettnäpfchen munter ins nächste trat. Vielleicht war es an der Zeit, einfach die Klappe zu halten.
»Du entschuldigst dich auffällig oft für Dinge, die gar nicht deine Schuld sind.« Da war es wieder: Dieses ehrliche Lächeln, das sein perfektes Gesicht noch hübscher machte. »Das musst du nicht. Mein Vater ist die meiste Zeit über eine wirklich unangenehme Person, und ich kenne ihn eigentlich genau so wenig wie meine Mutter. Andererseits vermisse ich sie auch nicht wirklich, ich bin mein ganzes Leben über ganz gut ohne sie zurechtgekommen.«
»Ok.« Ich biss mir auf die Zunge, als sich wieder eine Entschuldigung über meine Lippen schleichen wollte. Es war eindeutig an der Zeit, das Thema zu wechseln und damit einsanzuschlagen, das ich schon lange ansprechen wollte. Auch wenn es unangenehm war und vielleicht sogar das nächste Fettnäpfchen. »Nero, ich muss mit dir über etwas sprechen. Es ist sehr wichtig.«
Seine linke Augenbraue wanderte in Richtung seines Haaransatzes. »Deine Freundin.«
»Nein.« Ich unterdrückte das Verlangen, genervt mit den Augen zu rollen. »Es begibt sich eher in dämonische Gefilde.«
Man konnte sofort sehen, dass ihm das angeschlagene Thema unangenehm war. »Also Azriel.«
Ich blickte mich in alle Richtungen um, sicher gehend, dass niemand unserem Gespräch lauschte. Mittlerweile befand sich auf dem Gang niemand mehr außer uns. Ich nickte und spürte Nervosität in mir aufsteigen. »Ja,
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