Der Weg des Unsterblichen
»Dann bis morgen, drück mir die Daumen, dass ich meinen Traummann heute finde!«
»Bis dann.« Ich legte auf und seufzte. Nero sah mich aufmerksam an. »Ist etwas passiert?«
»Nein, nein, meine beste Freundin macht nur einen kleinen Abstecher, bevor sie nach Hause geht, also bin ich heute allein.« Ich winkte schnell ab und ließ das Handy wieder in der engen Tasche meiner Jeans verschwinden.
»Soll ich dich nach Hause bringen? Immerhin soll es momentan für euch Menschen wirklich gefährlich sein. Du weißt schon: Die Dämonen.« Er grinste spöttisch.
Vollkommen überrascht sah ich ihn an. Warum schlug er denn jetzt so etwas vor? »Hastdu nichts Besseres zu tun, als mich nach Hause zu bringen?« Die Worte kamen etwas unhöflicher aus meinem Mund, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Aber so sehr ich es auch versuchte, es war nicht so einfach, ihm so schnell zu vertrauen.
Er zuckte nur lässig mit den Schultern, und wieder einmal konnte ich aus seinem Blick nicht lesen, was er vorhatte. Würde ich aus den Unsterblichen jemals schlau werden? »Nicht wirklich. Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Schichten übernommen und deswegen jetzt frei. Außerdem ist es ja unsere Aufgabe, euch Menschen zu beschützen, oder nicht?«
»Angeblich.«, entfuhr es mir. Ich war verunsichert. Hatte er etwas geplant? Andererseits hatte ich mir vorgenommen, ihm gegenüber keine Vorurteile mehr zu haben. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass ich Nero vertrauen konnte. Für den Moment. »Ok, wenn du es wirklich ernst meinst, dann lass uns gehen.«
Oh Mann, hätte Monja das gewusst…sie wäre vor Neid grün und blau angelaufen.
14
Nero . - Das Glück, das ich in diesem Moment fühlte, war einfach nicht fassbar. Ich hatte mich darauf eingestellt, mehr über Azriel zu erfahren, aber dass sich mir gleich so eine gute Nachricht bieten würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Es war sein letztes Leben. Wenn ich es schaffen sollte, den Dämon jetzt in die Hölle zu schicken, dann würde er für immer darin schmoren. Er würde für immer tot sein und nichts in der Welt würde ihn mehr zurückholen können. Ich versuchte die Euphorie in meinem Bauch etwas einzudämmen, auch wenn das nicht einfach war. Ich durfte meine Siegesgedanken nicht überstürzen.
Leicht neigte ich meinen Kopf, um Noé ansehen zu können. Wir hatten die leere Schule und ihren penetranten Geruch von feuchtem Kalk und übertriebenem Mädchenparfüm hinter uns gelassen und waren in eine kleine Seitenstraßeeingebogen. Der Kies knirschte unter unseren Füßen und ich konnte feinen, braunen Staub zwischen den kleinen Steinen aufsteigen sehen, als wir hindurch gingen. An unseren Seiten war nichts anderes zu sehen als einfache, spießige Vorstadthäuser. Alle mit der gleichen Fassade, dem gleichen Vorgarten, dem gleichen Holzzaun. Abgesehen davon, dass sich zwischen manche Zaunlücken die Köpfe der letzten noch verbliebenen Blumen zwängten.
Noé lief neben mir, nur wenige Zentimeter von meinem linken Arm entfernt. Wie immer trug sie die Uniform ihrer Schule, die aus einem knielangen, grünen Faltenrock und einer weißen Bluse bestand. Darüber hatte sie eine rote Strickjacke angezogen, deren Reißverschluss halb geöffnet war. Ihre Hände waren in die Träger ihrer dunkelblauen Schultasche gegraben, der Mund vollständig hinter ihrem bunten Schal verschwunden und sie hatte den Blick stumm auf den Boden vor ihren Füßen gerichtet.
War ihr die Situation unangenehm? Dass ich sie nach Hause begleitete? Ich musste sanft den Kopf darüber schütteln, über was für unsinnigeDinge sich die Menschen oft Gedanken machten. Es war nahezu lächerlich.
Auf einmal sah sie so plötzlich auf in mein Gesicht, dass ich beinahe zurückgezuckt wäre. »Wie ist es eigentlich, Aniguel als Vater zu haben?«
Die Worte kamen schnell und holprig aus ihrem Mund, als hätte sie sich dazu gezwungen, sie hinauszupressen. Als ich Noé nur überrascht ansah, blickte sie wieder nach vorn und stotterte weiter: »Ich kenne ihn nur aus dem Fernsehen und aus meinen Geschichtsbüchern und er kommt mir sehr…« Sie stockte und brachte mich damit wieder zum Lächeln.
»Du kannst offen sprechen.«
»Ja?« Sie sah mich unsicher aus ihren bunten Augen heraus an, dann nickte sie und der Schal rutschte ein bisschen von ihrem Gesicht. »Gut, ok, wenn du das sagst. Er wirkt auf mich sehr arrogant und berechnend. Als würde er jeden Schritt seiner Gegner voraussehen können oder es
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