Der Weg des Unsterblichen
aufdecken.
Aber ich musste es sehr vorsichtig anstellen, niemand durfte von meinem Plan erfahren. Es galt als Hochverrat, wenn man eine Beziehung zwischen Dämon und Mensch entdeckte und nicht sofort Bericht erstattete. Was ich tat, war gefährlich für mich, und ich konnte es nur wieder gut machen und meine anfängliche Blöße verbergen, wenn ich meinem Vater Azriels Kopf brachte.
Ich trat an mein Fenster und sah in den Himmel hinauf. Wie immer, wenn ich das von meinem Fenster aus tat, war er pechschwarz undmit milchig weißen Punkten behangen. Der Mond schien heute besonders hell und nah zu sein. Mein mittlerweile gutes Zeitgefühl verriet mir, dass in der Menschenwelt wahrscheinlich gerade die Sonne aufging.
Wieder klopfte es an meine Tür. Als ich mich umdrehte, trat ein Junge aus der Akademie ein. Er hatte schulterlange, aschblonde Haare und trug bereits die Uniform der Akademie. »Wir müssen los zum Frühdienst, Nero.«
»Ich weiß.« Langsam trat ich an mein Bett heran, setzte mich und zog mir die Stiefel an.
Der Junge, sein Name war zu unwichtig, als dass ich mich daran hätte erinnern können, steckte die Hände in die Hosentaschen und sah mich misstrauisch an. »Du hast in letzter Zeit wirklich viele Schichten übernommen.«
»Und das ist ein Problem, das dich zu kümmern hat?«
»Nein.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich wundere mich nur, dass du diese nervigen Jobs wirklich gern zu machen scheinst, das ist alles. Das ist doch so ermüdend.«
»Mach dir darüber mal keine Sorgen.«, knurrte ich genervt. Wen konnte diese Aufgabe schon ermüden, wenn man seine eigenen Ziele verfolgte?
Bei diesem Gedanken wurde mir schlagartig eines bewusst: Den Weg der Unsterblichen hatte ich schon lange verlassen. Und dieser Tatsache sei Dank fühlte ich mich so lebendig wie noch nie zuvor in meinem Leben.
13
Noé . - »Was ist damals passiert?«
Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich meinen Spind zuschlug und auf einmal Nero direkt hinter der Tür stehen sah. Mein Herz schlug mir fast bis zum Hals und beinahe hätte ich ihn angepöbelt, dass er langsam schon wie Azriel war. Glücklicherweise schluckte ich diesen Satz in letzter Sekunde wieder runter. »Was meinst du?«
Nero lehnte sich an die Wand hinter ihm, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich nicht an, als er weiter sprach: »Du hast gesagt, dein Vater wurde von Unsterblichen getötet. Ich würde gern wissen, was damals passiert ist, wenn es dir nicht zu schwer fällt, darüber zu sprechen.«
Ich sah ihn kurz nachdenklich an, dann spähte ich den nach Putzmittel und alten Turnschuhen riechenden Gang hinab. Monja war schon vorgegangen und ich wusste, dass sie amSchultor auf mich warten würde. Auch sonst waren kaum Schüler auf dem Flur und die wenigen, die noch in Sichtweite standen, konnten unserem Gespräch sicher nicht lauschen. Also wandte ich mich wieder meinen Spind zu und begann, die Bücher für den morgigen Tag hineinzuräumen. »Ich habe dir ja schon erzählt, dass er eine Tischlerei hatte. Sie war nicht weit vom Markt entfernt, und es lief schon einige Jahre wirklich gut. Wie jeder andere auch brauchte er die Kontakte zu den Dämonen, um an Rohstoffe wie Schrauben und Nägel oder Bauteile für seine Maschinen zu kommen. Unglücklicherweise sind die Engel hinter diese Kontakte gekommen.« Ich riss den bereits sehr abgenutzten Reißverschluss meiner dunkelblauen Tasche mit mehr Kraft zu, als eigentlich dafür nötig gewesen wäre. »Sie haben den Laden gestürmt, an einem Freitagabend, kurz vor Geschäftsschluss. Wahrscheinlich hatten sie meinen Vater schon so lange beobachtet, dass sie genau wussten, dass um diese Zeit herum immer seine Geschäftspartner da waren. Die Engel haben alle eiskalt getötet. Seine Partner, die auchseine Freunde waren, und dann ihn. Vor meinen Augen.«
Ich schluckte einen Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte und sah im Augenwinkel, dass Nero mir einen erschrockenen Blick zuwarf. »Vor deinen Augen?«
»Ja. Ich war damals sieben Jahre alt und habe meinem Vater und seinen Freunden oft im Laden ausgeholfen, zum Beispiel beim Einräumen der neuen Sachen am Freitagabend. Ich kannte die Dämonen, aber ich habe sie nie als Bedrohung empfunden. Sie waren die Freunde meines Vaters und damit auch meine. Als die Engel angegriffen haben, hat mein Vater mir zugeschrien, dass ich wegrennen soll. Er hat geschrien, ich soll in den Wald laufen. Wahrscheinlich wusste er genau, dass Azriel noch da
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