Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
gestern wirft ein schlechtes Licht auf mich. Ein sehr schlechtes.«
Ich zuckte mit den Schultern. Meine Familie hatte mein Leben lang ein schlechtes Licht auf mich geworfen.
» Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Leute, denen ich Rechenschaft schulde. Leute, die sich fragen, warum ein fipsiges Mädchen glaubt, mir folgenlos trotzen zu können. Das vermittelt ein unwillkommenes Bild.«
Das war die Blöße, die ich brauchte, die Chance, in die Tat umzusetzen, was ich die lange Nacht an Colins Krankenbett hindurch geplant hatte. » Sag deinen Chefs, dass ich eine Nervensäge bin. Sag ihnen, dass du mich nach New York verfrachtest, sobald die Schule vorbei ist. Du würdest es schon jetzt tun, um mich Mores zu lehren, aber du hast eine Schwäche für meine Mutter. Dann wahrst du das Gesicht, und ich kann nach New York. So bekommen alle, was sie wollen.«
Es verschaffte mir eine gewisse grimmige Befriedigung, den Wunsch meiner Familie, kein Aufsehen zu erregen, zu nutzen, um ihr zu entkommen.
Billy schien einen Augenblick darüber nachzudenken. Dann fragte er: » Warum ist es dir wichtig, mir zu helfen, das Gesicht zu wahren?«
» Weil du ein bekanntes Übel bist«, sagte ich ruhig. » All die Macht muss doch irgendwo hingehen, oder? Es ist besser, sie weiter über dich laufen zu lassen, als zu erlauben, dass der Nächstbeste sie an sich reißt.«
» So ist es«, erwiderte er. » Mo, mir kommt der Gedanke, dass ich dich vielleicht unterschätzt habe.«
» Da wärst du nicht der Erste.« Ich warf noch einmal einen Blick ins Zimmer und sah, wie Colins Hand sich ruhelos auf der Decke bewegte. » Ich will nichts mit deinen Geschäften zu tun haben. Das war’s jetzt.«
Er küsste mich auf die Wange. » Manchmal erinnerst du mich an deinen Vater, meine Süße. Sag Donnelly, dass er den Job weiterhin hat.«
Mit einer Handbewegung rief Billy seine Schergen vom Ende des Korridors zu sich und spazierte hinaus.
Ich sah ihm nach, bis er außer Sichtweite war, bevor ich zittrig ausatmete. Meine Beine wollten mich nicht ganz tragen, aber ich schaffte es gerade, als Colin die Augen aufschlug, zu seinem Bett zurück.
» He«, sagte er und schenkte mir ein schwaches Lächeln. » Du lebst ja noch.«
» Ich hatte einen richtig tollen Bodyguard. Brauchst du irgendetwas?«
Er schüttelte den Kopf. Ich rollte mich wieder auf dem Stuhl zusammen und war damit zufrieden, zuzusehen, wie sein Brustkorb sich hob und senkte.
» Was ist geschehen?«, fragte er nach einem Augenblick.
» Ich bin mir nicht sicher. Die Magie… sie ist anders. Aber sie sollte für den Augenblick halten.« Ich erwähnte Evangeline nicht. Vielleicht später.
» Du hast es geschafft?«
» Ich glaube ja.« Mir kamen die Tränen, und ich griff nach seiner Hand. » Du hast mir Angst gemacht.«
Er verzog das Gesicht. » Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt. Willst du darüber vielleicht nachdenken, wenn du das nächste Mal beschließt, davonzulaufen und die Welt zu retten?«
Ich lachte zittrig. » Mach ich.«
» Was ist mit Luc?« Es lag mehr als reine Neugier in seiner Stimme, und ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.
» Er hat dich geheilt und uns hergebracht. Dann hatte er etwas zu erledigen.«
» Hast du alles mit ihm geklärt?«
Ich berührte mein Handgelenk. Luc war gegangen, ohne sich zu verabschieden, was mir ziemlich klar vorkam. » Mm-hm.«
Colin muss gewusst haben, dass ich nicht darüber reden wollte, denn er wechselte das Thema. » Billy?«
Ich verzog das Gesicht. » Er ist sauer, aber er wird sich schon wieder beruhigen. Er hat angedeutet, dass ich ins Familienunternehmen einsteigen könnte…«
Er führte meine Hand an seine Lippen. » Ich rede mit ihm.«
» Mit Billy werde ich schon fertig.«
Colin fielen erneut die Augen zu. » Die Frage ist nur, ob er auch mit dir fertigwird?«
» Haha.« Ich musterte ihn, betrachtete den kantigen Umriss seines Kiefers, seine geschwungenen Wimpern, die Bartstoppeln auf seinen Wangen und die Schwielen an seinen Händen.
» Mir geht es gut«, sagte er ein wenig später, immer noch mit geschlossenen Augen. » Quasi so gut wie neu.«
Ich biss mir auf die Lippen. » Ich bin sehr, sehr froh, dass du nicht tot bist.«
» Ich auch.« Er rückte auf dem schmalen Bett zur Seite und klopfte auf die Matratze. » Komm her«, sagte er.
Ich kroch neben ihn und schmiegte mich an seine Schulter. » Du hast gesagt, es wäre zu kompliziert.«
» Das war es auch.«
» Und jetzt?«
Seine Stimme wurde
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