Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Theke im Diner putzte, und ich konnte ihre Freude darüber spüren, alles wieder schön in Ordnung zu bringen, beeinträchtigt jedoch von ihrer Sorge um mich. Ich sah Billy an seinem Tisch im Black Morgan’s, wie er Ratschläge und Whiskey verteilte und immer ein Auge darauf hatte, sich seinen eigenen Platz am Tisch zu erhalten. Ich sah Lena in der Schule: Ströme von Kraft und Unsicherheit umflossen sie, während sie im Klassenraum saß, und ein zarter Unterton von Einsamkeit hing ihr nach.
Ich suchte nach Verity. Eine Unendlichkeit von Welten lag vor mir ausgebreitet, Scharen von Leben und sich überkreuzenden Linien, atemberaubend in ihrer Vielfalt und Schönheit. Ihr Geist hätte auch hier sein sollen. Ich wollte sie sehen, ein letztes Mal, um mich richtig von ihr zu verabschieden. Aber obwohl ich mit geschärften Sinnen entlang der Linien nach ihr Ausschau hielt, konnte ich sie nicht finden. Am Rande der Linien lag eine weiche, dichte Dunkelheit, wie Samt, und ich versuchte hindurchzugreifen, überzeugt, dass sie auf der anderen Seite war. Doch die Dunkelheit war undurchdringlich. Die Magie würde mich nicht dorthin bringen.
Als die Magie in mir emporwallte, keimte gleichzeitig Panik auf. Der Nebel verschlang mich, kehrte mein Innerstes nach außen, schmerzhafter, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich verbrannte. Ich zwang mich, durch die Qual hindurch zu atmen, und nahm die Macht ohne Zögern in mich auf. Zelle für Zelle kehrte ich zurück, erfüllt vom Wissen um alles, was ich sehen konnte, und plötzlich verging der Schmerz. Ich wollte für immer bleiben, an alles gebunden, eins mit den Linien und der Magie. Und das konnte ich auch tun. Ich musste der Magie nur bis zu ihrer Quelle folgen, wie einer Spur aus Brotkrumen, dann konnte ich die ganze Welt und den endlosen Strom des Lebens für immer beobachten.
Ich spürte einen heftigen Ruck, ignorierte ihn aber, um die Macht auszukosten, die mich durchströmte. Noch ein Ruck, diesmal beharrlicher.
Es war Luc, der mich zurückzog. Die Magie war so verführerisch, so einladend, dass ich ihn und die Welt, die ich zurückgelassen hatte, fast vergessen hatte– und die Aufgabe, die zu erledigen ich mir vorgenommen hatte. Aber unsere Verbindung zog an mir, und ich erinnerte mich an das Versprechen, das ich Verity gegeben hatte. Es war an der Zeit zu gehen.
Ich sammelte mich, zog mich von der Quelle zurück und brachte die Magie mit. Ich nahm den Schmerz zugleich mit der Magie, ohne zu versuchen, Widerstand zu leisten oder zu kämpfen– ich kanalisierte all die Macht einfach, bis sie herausströmte, wieder ganz, neu erschaffen. Die Linien übernahmen sie: Die Quelle pumpte Magie durch sie hindurch wie ein Herz. Meine Arbeit war getan. Ich zog mich zusammen, als der Nebel sich lichtete, kehrte in meinen Körper zurück, und stürzte schwer auf den zerstörten Boden des Bindungstempels.
Ich öffnete die Augen und sah Evangeline über mich gebeugt stehen; das gegabelte Ende ihres Stabs war noch immer auf meine Kehle gerichtet. Der letzte verbliebene Fetzen roher Magie strömte aus mir heraus, und ich schleuderte ihn mit aller Kraft auf sie. Er schoss pfeilgleich wie eine Flamme auf sie zu, zu schnell und zu mächtig, als dass sie ihn hätte abwehren können. Sie fiel schlaff hintenüber wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren, und der Stab landete klappernd neben ihr. Ich sackte zu Boden.
Luc kam zu mir, das Gesicht mit Staub, Tränen und Blut verschmiert, und half mir hoch. » Mouse? Was hast du bloß getan ?«
Ich versuchte, die Augen offenzuhalten, aber meine Lider waren zu schwer– es war viel zu anstrengend. All das Wissen und all die Magie waren verschwunden. Ich war leer und hohl und hatte Angst, dass ich in mich zusammenfallen würde. Der Tempel stürzte um uns herum ein, und der wilde Klang von Lucs Herzschlag erfüllte meine Ohren, als er mich schüttelte, erst sanft, dann kräftiger. » Mouse? Komm schon, komm jetzt. Komm, Maura!«
Ich blickte schließlich auf, und seine verschwommenen Züge wurden klar. Keinen Meter entfernt lag Colin reglos am Boden; die Vorderseite seines Hemds war versengt. Ich streckte die Hand aus und streifte seine Jeans. » Nein!« Ein vertrauter Schmerz stieg in mir auf, und ich wimmerte, während ich über den Boden zu ihm kroch. » Luc. Bitte, bitte. Heile ihn!«
Der Torbogen glühte heller und heller, und Luc packte meine Hand.
» Halt ihn fest!«, ächzte er, und wir sprangen ins
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