Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Dazwischen, als der Torbogen explodierte und alles schwarz wurde.
Kapitel 30
Zu behaupten, dass mein Onkel nicht froh darüber war, mich schon wieder in der Notaufnahme vorzufinden, wäre in etwa so, wie zu behaupten, dass die Chicago Cubs die ganze Spielzeit lang eine Pechsträhne hatten.
Und seine Erleichterung darüber, dass nicht ich im Krankenhaus gelandet war, sondern Colin, war von kurzer Dauer.
Er stand in der Tür, durch und durch empörtes Gepolter; der vertraute augenzwinkernde Charme war längst verflogen. » Das ist alles deine Schuld! Wenn du getan hättest, was ich dir gesagt habe…« Er brach ab. Hinter ihm standen zwei Typen, die ich nicht kannte, behielten den Flur im Auge und belauschten betont kein Wort von dem, was wir sagten. » Ich habe dich gewarnt, dass es Probleme geben würde.«
» Mir geht es gut«, erwiderte ich und setzte mich auf. Ich hatte einen Stuhl neben Colins Bett gezogen und war eingeschlafen, den Kopf neben seine Schulter gelegt, die Hand auf seine. » Danke der Nachfrage.«
» Erzähl mir, was passiert ist.«
Seine Stimme dröhnte in dem kleinen Raum, und ich suchte Colins Gesicht nach irgendeinem Anzeichen dafür ab, dass er aufwachte. Dank der Schmerzmittel, die man ihm verabreicht hatte, schlief er weiter. Meine Nacken- und Rückenmuskeln protestierten, als ich mich reckte und aufstand. Ich hatte keine Lust, Billy die Stirn zu bieten, während ich auf einem unbequemen Plastikstuhl hockte.
» Es betrifft dich nicht«, sagte ich mit fester Stimme und nicht im Mindesten eingeschüchtert. Es fühlte sich seltsam an, mich gegen Billy durchzusetzen. Ich hatte keine Angst mehr– weder vor ihm noch vor den Geheimnissen meiner Familie. Sobald ich die Angst verloren hatte, hatte ich meine Stimme gefunden. Jetzt gedachte ich sie zum Einsatz zu bringen.
» Unsinn«, sagte Billy. » Du bist meine Nichte.«
» Hierbei ging es nie um mich«, entgegnete ich, » und das habe ich dir auch schon gesagt, als Verity gestorben ist, aber du wolltest ja nicht auf mich hören. Wie auch immer– es ist vorbei.«
» Zum Teufel, das ist es nicht! Du hast einen meiner besten Männer hier liegen, und ich werde erfahren, warum!«
» Ihm geht es übrigens auch gut.« Luc hatte die schwersten von Colins Verletzungen geheilt, bevor er uns hergebracht hatte. Die Zeit und Flachenmedizin würden ein Übriges tun. » Ich bin sicher, dass er gerührt über deine Besorgnis sein wird.«
Ich strich die Bettdecke glatt und streichelte seinen Handrücken dort, wo die Kanüle hineinführte. Dann trat ich durch die Vorhänge auf den Flur. Billy folgte mir fuchsteufelswild.
» Donnelly ist wie eine Katze«, sagte er. » Er hat schon Schlimmeres überstanden und ist immer wieder auf seine vier Füße gefallen. Joseph Kowalski ist tot.«
Ich starrte auf meine Fingernägel. Sie waren abgebrochen und schmutzig, aber meine Hand zitterte kein bisschen. » Das muss dich ja sehr freuen.«
Billy machte eine Kinnbewegung Richtung Tür, und die beiden Schlägertypen schlichen sich weiter den Gang hinunter. » Keine Vorwürfe, Mo? Keine Frechheiten? Gestern dachtest du noch, ich sei der Ursprung alles Bösen.«
Nicht alles Bösen. Es gab genug davon für alle. » Du warst nicht dafür verantwortlich«, erklärte ich und spürte die Last all dessen, was geschehen war, tief in den Knochen. » Ich sage nicht, dass du dazu nicht fähig gewesen wärst. Aber du hast es nicht getan.«
Er neigte den Kopf leicht zur Seite. » Du scheinst dich über die Nachricht nicht zu wundern.«
» Mich überrascht im Moment nicht viel.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihm in die Augen.
» Das sehe ich.« Er lehnte sich gegen den Tresen, lächelte einer vorbeikommenden Krankenschwester leutselig zu und fiel in die Rolle des gütigen Onkels zurück. » Ach, Mo. Du veränderst dich. Die Welt verändert sich. Es ist schwer für einen alten Mann wie mich, da Schritt zu halten.«
» Ich schätze, dann hast du Pech gehabt.«
» Pass bloß auf«, sagte er, und es lag wieder Stahl in seiner Stimme. » Dir gefallen die Entscheidungen vielleicht nicht, die ich getroffen habe, aber sie haben dir gute Dienste geleistet. Eine gute Schule für dich, Sicherheit für deine Mutter. Das ist nicht zu verachten.«
» Und alles, was mich das gekostet hat, war mein Vater…«
» Noch ein Mann, der sich entschieden hat.« Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken. » Wir haben ein Problem, Mo. Dein Auftritt auf dem Polizeirevier
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