Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
ansetzen.
Die Geste erinnerte mich an etwas. » Das waren Sie. Auf dem Friedhof.«
Ihre Hand hielt inne, und sie zog mit eisiger Miene eine Augenbraue hoch.
» Sie hatten eine blaue Robe an.«
» Das war eine Zeremonie für meinesgleichen. Du hättest sie nicht beobachten sollen.« Trotz des gleichmütigen, maßvollen Tonfalls ihrer Worte floss ein dunkler, schneller Strom des Zorns unter ihnen dahin.
» Luc hat sie alle verschwinden lassen. Er hat irgendetwas mit mir gemacht.«
» Nicht mir dir. Er hat das Ritual verborgen, wie wenn man im Theater den Vorhang fallen lässt. Du hast ihn um die Chance gebracht, daran teilzunehmen«, fügte sie hinzu. » Von Rechts wegen hätte er die Zeremonie leiten sollen. Können wir weitermachen?«
Ich antwortete nicht; ich war fassungslos über ihre Worte. Kein Wunder, dass Luc fand, dass ich mich immer einmischte– ich hatte Veritys Beerdigung ruiniert, ihren Ring an mich genommen und überlebt; sie nicht. Jetzt hatte ich eine Partnerschaft verlangt. Er war entweder unglaublich nachsichtig oder unglaublich verzweifelt. Ich hatte das ungute Gefühl, dass ich wusste, was von beidem zutraf.
Evangeline begann in der seltsamen, fließenden Sprache zu reden, die ich sowohl Verity als auch Luc hatte benutzen hören. Ich stand wie hypnotisiert von dem Klang da. Er bildete einen berückenden Kontrast zu den harschen Geräuschen der Stadt– den Taxis und Bussen, die um die besten Positionen rangelten, den Straßenmusikanten jenseits der Brücke, den Pendlern und Touristen, die an uns vorbeieilten–, und obwohl Evangeline leise sprach, erfüllte er meinen Kopf und überdeckte alles andere.
Noch immer murmelnd schlang sie die Finger um den Schnitt, den sie mir beigebracht hatte. Ich zuckte vor Schmerz zusammen, blieb aber stumm. Ihre Fingerspitzen klopften einen seltsamen Trommelwirbel auf meinen Puls. Plötzlich fühlte sich die Luft auf meiner Haut doppelt so schwer an, und ich wankte unter dem unangenehmen Druck. Das Gefühl verschwand, und Evangeline schwieg. Sie ließ meine Hand los.
» Das sollte genügen«, sagte sie. » Er wird zerbrechen, wenn du den Ring überstreifst, aber er sollte dich so weit schützen, dass du im Alltag verborgen bist.«
» Sind Sie sicher?« Je mehr Magie ich miterlebte, desto gefährlicher kam sie mir vor. Dieses eine Mal wäre es schön gewesen, die Zauberei auf meiner Seite zu haben.
Sie wirkte gekränkt. » Natürlich. Lass uns jetzt weitergehen, bevor dein Beschützer zu dem Schluss kommt, dass ich nicht vertrauenswürdig bin.«
Wir gingen hinüber zum Mart, liefen unter den Gleisen der L-Bahn hindurch und wichen Touristen aus, die ihre Kameras wie Waffen schwangen. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, waren Verity und ich auf einem Kunsthandwerkermarkt gewesen. Ich hatte eine Halskette entdeckt, die mir gefallen hatte– Glasperlen und gehämmerte Metallkugeln auf ganz dünnen Drähten–, aber nach einem Blick auf das Preisschild hatte ich die Hände in den Taschen stecken lassen und war Vee gefolgt, die die Verkäufer bezaubert und Preise herausgehandelt hatte, die fast, aber nicht ganz bezahlbar gewesen waren. Jetzt folgte ich Evangeline durch die geflieste Lobby zu der langen Reihe von Fahrstühlen und versuchte, mich abzulenken.
» Luc hat gesagt, jeder Bogen würde auf ein bestimmtes Element zurückgreifen. Ist Ihres Wasser?«, fragte ich, als die Aufzugstüren sich schlossen.
» Ja. Chicago ist eine gute Stadt für mich, genau wie New Orleans, aber sogar in der Wüste gibt es Linien jedes Elements. Das Maß an Kraft schwankt– nicht alle Leiter sind gleichermaßen stark–, aber ein ausgebildeter Fachmann kann sogar mit einer fadenscheinigen Linie viel erreichen.«
» Was war Veritys Talent?«
» Ach, Verity. Sie war so etwas Besonderes«, sagte Evangeline. Ihre Stimme brach und nahm diesen trostlosen, dumpfen Tonfall an, in den Erwachsene immer verfallen, wenn sie sich in Erinnerungen verlieren. Sie hielt inne, zog sich das Revers ihres Jacketts zurecht und fuhr fort: » Erst ist mir das nicht aufgefallen– ich dachte, sie hätte eine Begabung fürs Wasser, wie ich. Das war das Erste, was wir ausprobiert haben, und sie kam damit von Natur aus gut zurecht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Dinge sich in Familien vererben, weißt du?«
» Klar.« Genetik konnte ich verstehen. Veritys Familie vererbte magische Fähigkeiten, meine war mit dem Chromosom für Verbrechen und Täuschung behaftet.
» Ich habe Verity
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