Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
in der Sturzflutprophezeiung erwähnt wird. Er gehört seit Anbeginn der Zeit Luciens Haus. Als Erbe war er derjenige, der ihn Verity geschenkt hat.«
» Oh.« Lucs Worte von neulich, dass er auf den Ring eingestellt sei, ergaben nun einen Sinn. Ich ließ die Kette los und kam mir dumm vor.
» Der Legende nach war der Ring das Werkzeug, das Verity einsetzen sollte, um die Magie zu reparieren– er hätte ihr gestattet, direkt mit roher Magie umzugehen, die sonst viel zu gefährlich ist.«
» Luc hat gesagt, ich sollte ihn nicht an den Finger stecken.«
Ihr Blick verschlang den Ring förmlich. Sie hob eine Hand, als wollte sie ihn berühren, aber der Verkehr setzte sich wieder in Bewegung. » Da hat er durchaus recht. Die Düsterlinge und ihre Herren werden auf der Suche danach sein. Beim nächsten Mal werden sie wesentlich schneller reagieren. Aber du solltest in Sicherheit sein, solange du ihn nicht trägst.«
» Er hat gesagt, sie würden mich ohnehin verfolgen.« Ich vermied es, darüber allzu gründlich nachzudenken– sonst hätte mich die Angst gelähmt. Das Tageslicht half. Mit Leuten zusammen zu sein half. Zwanghaft den Türriegel und die Alarmanlage zu kontrollieren half, obwohl sie nicht viel nützen würden.
» Das ist durchaus möglich.«
» Das sorgt nicht gerade dafür, dass ich mich besser fühle.« Die Klimaanlage nahm Fahrt auf, und ich rieb mir die Arme.
» Es gibt Maßnahmen, die wir ergreifen können. Sie werden dich nicht verbergen, wenn du den Ring trägst, werden ansonsten aber ausreichen.«
Ich lehnte den Kopf zurück gegen den Sitz. » Einen Zauber?«
» Ja. Er wird dich verbergen, selbst wenn ein Düsterling so nahe bei dir ist wie ich jetzt.«
» So nahe bei einem Düsterling will ich nie wieder sein.«
» Ein weiser Vorsatz.« Sie bog in ein Parkhaus ein und zog das Ticket. » Von hier aus müssen wir ein Stück zu Fuß gehen, aber ich mag den Blick auf den Fluss sehr. Ich hoffe, es stört dich nicht.«
Sie ging voraus auf den Bürgersteig; die elfenbeinfarbenen Lederabsätze klapperten schnell über den Beton.
» Also arbeiten Sie mit Luc zusammen? Um herauszufinden, wer Verity getötet hat?«
Sie blieb nicht stehen. » Wir verfolgen ähnliche Ziele. Ich bin die Matriarchin meines Hauses, so wie Luciens Vater der Patriarch des seinen ist. In dieser Rolle habe ich ebenfalls einen Sitz im Quartorenrat inne. Damit die Quartoren– und unsere Gesellschaft– überleben, müssen wir die Prophezeiung aufhalten. Die Sturzflut wird die Bögen vernichten. Meine vordringlichste Pflicht besteht darin, herauszufinden, ob Veritys Bestimmung noch erfüllt werden könnte.« Sie zog die Augenbrauen zusammen, und ihre Stimme klang angespannt, als sie fortfuhr: » Aber auf persönlicher Ebene möchte ich unbedingt herausfinden, wer für den Tod meiner Nichte verantwortlich ist.«
» Luc hat immer wieder von einer Prophezeiung gesprochen. Er hat gesagt, Verity wäre dazu bestimmt gewesen, die Welt zu retten.«
» Das war sie.«
» Wovor?«
Wir blieben am Riverwalk stehen. Irgendwo in der Nähe hielt sich Colin auf und wachte über mich wie ein übellauniger Schutzengel, aber ich musste mich nicht erst nach ihm umsehen. Die Brise zupfte mir Haarsträhnen aus dem Pferdeschwanz, die gewölbten Glasscheiben der Bürogebäude am Wacker Drive spiegelten den Himmel wider, und die Wassertaxis und Ausflugsboote fuhren unten auf dem Fluss an uns vorbei. Es war alles so normal– ein Anblick, der sich Verity und mir tausendmal geboten hatte. Es kam mir unfassbar vor, dass der Rest der Welt gar nicht bemerkte, dass sie nicht mehr da war. Alle fuhren in ihrem Alltagstrott fort, als wäre nichts geschehen. Zumindest erkannten die Bögen an, wie absolut falsch ihr Tod war.
» Ich bin gern bereit, deine Fragen zu beantworten, Mo, aber es wäre mir lieber, wenn wir erst den Verhüllungszauber herstellen.«
» Tut das weh?«
» Beim Einsetzen ein bisschen. Danach wirst du nicht mehr bemerken, dass er da ist.« Sie nahm meine Hand in ihre und riss mir mit einer raschen Bewegung eines perfekt manikürten Nagels die blasse Haut innen am Handgelenk auf.
» Aua!«, sagte ich und versuchte mich loszureißen. Ihr Griff war erstaunlich kräftig.
» Du würdest merken, dass ein Düsterling weitaus mehr wehtut.« Sie streckte die freie Hand über das Geländer, die Handfläche nach unten gerichtet, winkte mit den Fingern in einer anmutigen, beschwörenden Bewegung, holte tief Luft und wollte zum Sprechen
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