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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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will Dad besuchen.«
    Die Salatzange entglitt ihren Händen und klapperte gegen den Rand der Schüssel. » Daddy besuchen?«
    » Ich hätte mitkommen sollen. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen deswegen.«
    Ihre Augen wurden feucht. » Aber wenn du nun in der Schule etwas versäumst? Was werden deine Lehrer sagen?«
    » Sie werden es verstehen. Wie du schon sagtest, es ist eine Familienangelegenheit. Ich kann meine Hausaufgaben alle morgen nach der Kirche machen. Wenn ich am Montagmorgen nach Terre Haute fahre, könnte ich spätabends zurückkommen. Dann würde ich nur einen Tag fehlen.«
    Hinter mir trommelte Colin mit den Fingern. Ich musste mich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass er finster dreinblickte.
    » Liebes, ich war gerade erst zwei Tage lang nicht im Slice. Ich kann mich nicht einfach auf dem Absatz umdrehen und schon wieder wegfahren, nicht bei all den Spezialbestellungen für Thanksgiving, die jetzt eingehen. Vielleicht könnten wir am Thanksgiving-Wochenende hinfahren. Dann hätten wir mehr Zeit zusammen, alle drei.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. » Du hast doch gesagt, dass du willst, dass ich Zeit mit Dad verbringe. Jetzt versuche ich es, und du lässt mich nicht.«
    Sie runzelte die Stirn, als sie die Hähnchenpfanne mit Parmesan aus dem Ofen zog. » Ich freue mich, dass du deinen Vater besuchen willst, aber du hast das nicht gründlich genug durchdacht. Wie willst du dorthin kommen?«
    Ich hielt inne, als müsste ich wirklich erst darüber nachdenken. » Ich schätze … Colin könnte mich doch vielleicht hinfahren. Wenn es nicht zu viel Mühe macht.«
    Er stellte sein Glas so heftig ab, dass Wasser über den Rand schwappte. Ich lächelte so unschuldig ich konnte und reichte ihm ein Handtuch. Er erwiderte mein Lächeln nicht.
    » Colin?« Meine Mutter wischte sich die Hände an der Schürze ab. » Es ist ein großer Gefallen, um den du da bittest. Aber …«
    Ich richtete die Augen aufs Tischtuch und versuchte, bekümmert zu wirken.
    » Es würde Mos Vater so viel bedeuten«, sagte sie. » Sie hat sich sehr verändert, seit er sie das letzte Mal gesehen hat.«
    Äh, ja. Ich war dreizehn gewesen, als ich das letzte Mal nach Terre Haute gefahren war.
    » Bestimmt«, sagte Colin grimmig. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen, geschweige denn zu atmen. Als er seufzte, atmete ich ebenfalls aus. » Ja. Ich kann sie hinbringen.«
    Meine Mutter faltete die Hände. » Danke, Colin, vielen Dank … Was Daddy für ein Gesicht machen wird, wenn er dich sieht!«, fügte sie hinzu und umarmte mich fest.
    Ich erhaschte einen Blick auf mein Spiegelbild im Fenster über dem Waschbecken, blass und ohne jedes Lächeln. Es war vier Jahre her, dass ich meinen Vater zuletzt gesehen hatte. Es fühlte sich eher nach vier Leben an.
    Wenn meine Mutter beim Abendessen noch entzückter gewesen wäre, hätte sie wohl ein Lied angestimmt. Ich bemühte mich aufs Äußerste, genauso fröhlich und erwartungsvoll zu wirken, als wäre dieser Besuch tatsächlich der plötzlichen Sehnsucht geschuldet, die Familienharmonie wiederherzustellen. Innerlich war ich damit beschäftigt zu überlegen, wie ich am besten an meinen Vater herantreten sollte. Vier Jahre ohne jeden Besuch waren zugegebenermaßen eine lange Zeit. Meine Mutter täuschte sich vielleicht. Er nahm mir meine Abwesenheit womöglich so übel, dass er mir nicht würde helfen wollen. Oder vielleicht würde er reuig sein und tun, was er nur konnte, um mich zu unterstützen. Vielleicht – und das war die Möglichkeit, angesichts derer mir das Essen im Mund zu Sägemehl wurde – war er aber auch immer noch Billy und Marco Forelli treu ergeben.
    Colin schaufelte unterdessen schweigend sein Essen in sich hinein und redete nur, wenn meine Mutter ihn direkt ansprach. Den Rest der Zeit über musterte er mich, während sich Fragen über Fragen in ihm zusammenbrauten. Ich überlegte, ob er bis Montag warten würde, um sie zu stellen, aber nachdem ich den Tisch abgeräumt hatte, scheuchte er meine Mutter hinaus.
    » Du hast gekocht«, sagte er mit Nachdruck. » Das Mindeste, was Mo und ich tun können, ist, den Abwasch zu erledigen.«
    Sie tätschelte ihm die Wange. » Du machst deiner Mutter alle Ehre«, sagte sie, und wenn ich nicht Ausschau danach gehalten hätte, hätte ich das Aufblitzen von Schmerz in seinem Gesicht nicht gesehen. » Dann hole ich mal ein bisschen Papierkram auf. Sagt Bescheid, wenn ihr bereit für den Nachtisch seid.«
    Ich füllte die

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