Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
ist.«
» Um mich zu besuchen, schätze ich.« Er hatte mich aus irgendeinem Grund aufgesucht, da war ich mir sicher. Aber nachdem er von dem Einbruch gehört hatte, hatte er anscheinend gezögert, den Bund oder sonst etwas, das mit den Bögen zu tun hatte, zu erwähnen. Als ob er mir nicht noch mehr Probleme machen wollte.
» Und ihr beiden …«
Ich ballte die Hände im Schoß zu Fäusten und sah zu, wie die Vororte Gewerbegebieten und Maisfeldern wichen.
» Natürlich«, flüsterte er. » Haben sie herausgefunden, wie du die Magie reparieren kannst?«
» Wir haben ein paar Ideen«, sagte ich und wollte lieber nicht ins Detail gehen.
» Gefährliche Ideen?«
Ich biss mir auf die Lippen.
» Ich komme mit.«
» Das wird ihnen nicht gefallen«, sagte ich leise.
» Ich habe es schon einmal getan. Ich kann es wieder tun.«
» Diesmal ist es etwas anderes. Es sind die Quartoren, und sie mögen keine Flachen.«
» Du bist eine Flache.«
» Sie mögen auch mich nicht. Sie brauchen mich nur.« Was dafür sorgte, dass sie mich umso mehr hassten. Ich fragte mich, warum es mir bisher noch nicht aufgegangen war, dass es nicht nur daran lag, dass ich eine Flache war oder Evangeline getötet und all diese Probleme verursacht hatte. Es lag auch daran, dass die Macht, sie zu retten, an eine Person gebunden war, die sie immer als minderwertige Lebensform betrachtet hatten. Es war wie ein Pokerspiel, bei dem alle Asse auf jemanden verschwendet waren, der die Spielregeln nicht kannte.
Die Zeit, mich zurückzulehnen und das Vorgehen der anderen zu beobachten, war vorbei. Es wurde Zeit, ins Spiel einzugreifen.
» Was will Billy von mir?«, fragte ich und versuchte so, Colins Aufmerksamkeit von Luc und den Quartoren abzulenken.
» Dass du ihm nicht im Weg stehst«, sagte Colin automatisch. » Abgesehen davon will er, dass du ihm hilfst, seine Stellung bei Forelli zu sichern. Er glaubt, dass du Fehlinformationen an die Russen weiterleiten könntest.«
Ich hatte mich geweigert, die Polizei anzulügen. Billy ging anscheinend davon aus, dass ich weniger wählerisch sein würde, wenn es die Bösen betraf. » Was hast du dazu gesagt?«
» Dass du zu unberechenbar bist. Und eine lausige Lügnerin. Sie würden dich binnen eines Herzschlags durchschauen.«
Aus irgendeinem Grund war ich etwas gekränkt. » Ich habe meine Mutter hinters Licht geführt.«
» Deiner Mutter ist gefühlsmäßig daran gelegen, dir zu glauben. Juri Ekomow würde dir nie etwas abkaufen. Es ist zu gefährlich. Ich will, dass du dich völlig aus der Sache heraushältst.«
Ich dachte an die im Pflegeheim versteckte Tess und an meine Mutter, die so hart arbeitete, um alles normal wirken zu lassen. Das Versteckspiel hatte mir früher gefallen, aber jetzt nicht mehr.
» Sieh mal, ich weiß, dass es dein Job ist, aber du kannst mich nicht vor allem beschützen. Das ist gar nicht möglich.«
» Ich kann es aber versuchen«, erwiderte er. » Und ich tue es nicht, weil es mein Job ist.«
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Wir fuhren weiter, an zu Stoppeln abgemähten Maisfeldern und Äckern voller gelb werdender Sojabohnen vorbei. Das Land war so leer und weit, dass mir schwindlig wurde, als hätte ich das Gleichgewicht verloren.
Mein Schwindelgefühl wurde stärker, und ich stützte mich mit den Händen am Armaturenbrett ab. Mir war in meinem ganzen Leben noch nicht im Auto schlecht geworden, aber jetzt bestand durchaus die Möglichkeit. Gerade als ich etwas sagen wollte, blinkte die Motorkontrollleuchte auf.
» Verdammt.« Colin starrte die Straße entlang. » Zwölf Kilometer bis zur nächsten Tankstelle. Ich glaube, das schaffen wir.«
» Weißt du, was nicht in Ordnung ist?« Beiläufig lehnte ich mich ans Fenster und spürte das kühle Glas tröstlich an meiner Wange.
» Nein. Ich habe gerade das Öl gewechselt und alles gestern Abend noch einmal überprüft, als ich nach Hause gekommen bin.«
Er legte den Kopf schief und lauschte dem Motor. Ich konnte bis auf das Surren der Räder auf dem Straßenpflaster nichts hören.
» Es klingt gut«, sagte er nach einem Augenblick. » Wir überprüfen es an der Tankstelle.«
Ich nickte, biss mir auf die Lippen und versuchte, mir mein Leben fern von Chicago vorzustellen. Es war ein Trick, den ich mir angeeignet hatte – es war leichter, Jill McAllister und ihre spitzen Bemerkungen zu ertragen, wenn ich mir mein Leben in New York ausmalte. Aber gerade jetzt weigerte sich das Bild in meinem Kopf,
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