Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
gebracht. Jetzt muss ich mein eigenes Leben in Ordnung bringen.«
Orla fragte spöttisch: » Liebst du dein Flachenleben denn so sehr, dass du es über die Not unseres gesamten Volkes stellst? Dann nimm das Mädchen mit zurück.« Hocherhobenen Hauptes wandte sie sich an die anderen: » Sie stammt von Flachen und von einer Verräterin ab, und mein Haus will nichts mit ihr zu tun haben.«
» Sagen wir doch besser nichts, was wir nicht ernst meinen«, mischte Dominic sich ein.
» Ich meine jedes Wort ernst«, sagte Orla. » Das Haus Rafale wird keinen Anspruch auf dieses Mädchen erheben. Ich will mit der Flachen nichts zu tun haben, ganz gleich, ob sie das Gefäß ist oder nicht. Wir werden einen anderen Weg finden.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte davon, wobei ihr Stock dumpf auf den Boden pochte. Sie war für eine alte Frau erstaunlich schnell. Dominic machte eine ruckartige Kopfbewegung zu Pascal hinüber, der mich prüfend musterte, bevor er Orla folgte. Einen Augenblick später ertönte ein Knall wie von einem Gewehrschuss, und die beiden verschwanden im Dazwischen.
Dominic sah mich stirnrunzelnd an. » Weißt du, sie hat unrecht. Es gibt keinen anderen Weg. Pascal hat die Sache aus jedem Blickwinkel in Augenschein genommen, wie es nun einmal seine Art ist. Wir brauchen deine Hilfe, und uns steht nicht gerade eine Überfülle von Zeit zur Verfügung.«
» Ihr habt einen Monat lang gewartet«, meldete sich Luc zu Wort. » Es würde nicht schaden, ihr ein bisschen Zeit zum Luftholen zu lassen.«
Dominic neigte den Kopf.
» Die Düsterlinge waren unterwegs? Nach St. Brigid?« Ich war nicht darauf vorbereitet, dass die Magie in meine Welt eindrang. Was für Probleme ich in meinem realen Leben auch hatte, sie waren nichts gegen den Ärger, den Düsterlinge verursachen würden.
» Deshalb habe ich euch hergebracht«, sagte Luc. » Die Magie war auf Constance ausgerichtet, nicht auf die Schule. Nachdem ich Constance herausgeholt hatte, gab es dort nichts mehr, was die Düsterlinge hätte interessieren können. Hier ist alles menschenleer, und es gibt im Umkreis von mehreren Meilen keine wichtigen Linien und damit auch kaum Magie, von der sie sich nähren könnten.«
» Guter Plan«, sagte ich und stellte überrascht fest, dass meine Beine zitterten. » Sehr guter Plan sogar.«
Er zuckte mit den Schultern, aber das Lächeln, das um seine Lippen spielte, verriet mir, dass er sich freute.
Als wir die Hütte betraten, summte Marguerite leise vor sich hin, während Constance schlief. Ihre Gesichtsfarbe wirkte gesünder, und sie atmete regelmäßig. Orla hatte angedeutet, dass das nicht von Dauer sein würde. Wie viel Zeit blieb Constance?
Dominic half Marguerite mit einer unerwartet zärtlichen Geste auf die Beine. » Wir brechen jetzt auf.«
» Wir haben Mo doch gerade erst kennengelernt«, protestierte sie. » Es schadet sicher nichts, noch ein wenig länger zu bleiben.«
» Orla ist verärgert. Wir sollten sie besser besänftigen«, sagte er und warf Luc einen schiefen Blick zu, der zugleich warnend und vorwurfsvoll wirkte. » Wir unterhalten uns noch. Bald.«
Luc griff wieder nach meiner Hand, aber ich hatte mich von ihm gelöst, um über Constance zu wachen.
Marguerite schenkte mir ein Lächeln. » Es war so schön, dich endlich kennenzulernen. Luc …« Er beugte sich zu ihr, und sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. » Benimm dich.«
Ich hätte schwören können, dass er errötete. Dominic lüftete seinen Hut und zog Marguerite ins Freie. Binnen eines Augenblicks hörten wir den Donnerhall ihrer Reise ins Dazwischen. Luc ließ sich auf einen der wackeligen Stühle fallen, und die arrogante Fassade, die er vor den Quartoren zur Schau getragen hatte, fiel von ihm ab. Meine Nerven prickelten, so wie sie es anscheinend immer taten, wenn wir allein waren.
» Deine Eltern wirken …« Ich suchte nach einem Wort, das sowohl auf Marguerite als auch Dominic passen würde. Wie Tag und Nacht, hätte mein Onkel gesagt. » Sie wirken nett.«
Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, um Verspannungen zu lösen. » Maman ist das auch. Mein Vater ist eher wie du.«
» Nicht nett?« Von jedem anderen wäre das eine Beleidigung gewesen. Von Luc war es beinahe ein Kompliment.
» Er spielt eine wichtige Rolle. Für Nettigkeit bleibt da nicht viel Platz.«
Natürlich. Ich war für Luc niemals nur Mo allein. Ich war immer das Gefäß, diejenige, die ihm das Schicksal zur Gefährtin
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