Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
Magie auf der Haut, aber ich zwang mich, sie zu ignorieren.
» Dominic«, sagte die Frau. Lucs Mutter? Luc hatte eine Mutter? Er hatte sie noch nie erwähnt. Sie löste die Finger von seinem Arm und machte eine gezierte Handbewegung, als würde sie etwas wegscheuchen. » Nun geh doch schon. Das wird nett für euch beide.«
Nett? Nett war es, wenn Vater und Sohn gemeinsam auf den Golfplatz gingen, doch darauf, Constance vor dem Ansturm roher Magie zu retten, traf der Begriff in meinen Augen nicht zu. Sogar Dominics Gesichtsausdruck war eher eine Grimasse als ein Lächeln, aber er verneigte sich vor uns beiden. » Meine Damen.«
Er schlenderte auf die Hütte zu und hielt mit einer Hand seinen Hut in dem immer heftigeren Wind gut fest. Wenn ich auch nur die geringsten Zweifel gehegt hatte, dass er wirklich Lucs Vater war, dann wurden sie in diesem Moment ausgelöscht. Der Mann spazierte fröhlich in eine Katastrophe hinein, als gäbe es keinen Ort, an dem er lieber gewesen wäre, ganz so, als ob er es jeden Tag gleich nach dem café au lait, aber noch vor dem Kreuzworträtsel mit roher Magie aufgenommen hätte. Kein Wunder, dass Luc sich immer so wohl in seiner Haut zu fühlen schien.
» Ich bin sicher, dass deiner Freundin nichts zustoßen wird. Manchen von uns fällt der Übergang schwerer als anderen«, sagte Lucs Mutter, als Dominic im Haus verschwunden war. Ihre Stimme war leise, übertönte aber den Lärm. » Ich bin Marguerite«, fügte sie hinzu. » Ich habe schon lange gehofft, dich kennenzulernen, wenn auch vielleicht nicht gerade unter diesen Umständen. Wollen wir uns nicht setzen?«
Es gab keine Stühle, aber sie hob die Hand mit nach außen gewandter Handfläche, und das staubige, von Unkraut durchzogene Gras verwandelte sich in etwas, das mit den Grünanlagen des Wrigley-Field-Stadions vergleichbar war. Die Magie machte mir Angst, aber sogar ich musste zugeben, dass sie dann und wann durchaus praktisch war.
» Nach dir«, sagte sie.
Mir zitterten die Beine, und ich sank dankbar ins üppige Gras. Marguerite tat es mir nach und zog sich mit zierlicher Anmut den Rock zurecht. » Es geht dir nicht gut.«
Ich zupfte wieder an meiner Bluse und kam mir schmuddelig vor. » Es war die Magie in der Schule. Ich bin davon erfasst worden.«
Sie schloss kurz die Augen, deren mattes Grün nicht halb so strahlend war wie das ihres Sohnes. » Nein. Da ist noch mehr.«
» Es geht mir gut«, sagte ich. Ich hatte mich schon den ganzen Morgen schlecht gefühlt, aber ich wäre mir wie ein Waschlappen vorgekommen, wenn ich mich jetzt darüber beschwert hätte. Marguerite bedachte mich mit einem tadelnden Lächeln, als ob sie meinem Tonfall die Lüge anhören konnte. » Es ist jetzt wichtiger, Constance zu helfen. Sie hat niemanden mehr.«
» Sie hat dich.«
» Ich bin nicht ihre Schwester.« Sie musste wissen, dass Evangeline tot war und dass es nun, da Verity nicht mehr da war, niemanden gab, der Constance in die Welt der Bögen einführen konnte. Ich war nutzlos. Trotz der Sturzflut und der Magie, die wie Blut durch meine Adern geströmt war, hatte ich keine eigenen Kräfte. Ich wusste mehr über Quantenphysik als über Magie.
» Luc hat oft von ihr gesprochen.« Sie ließ mitleidig eine Hand auf meinem Ärmel ruhen. » Es ist kaum auszudenken, dass sie nicht mehr da ist, nicht wahr?«
Irgendetwas an ihrer sanften Frage verleitete mich dazu, ehrlich zu sein. » Ich vermisse sie. Immer noch. Die ganze Zeit über.«
» Und warum auch nicht? Solch ein Verlust und noch dazu so plötzlich … Es gibt keinen Zeitplan für Trauer, Mo.«
Die Worte waren unerwartet tröstlich. » Das sehen die meisten Leute anders.«
» Die meisten Leute haben diese Art Kummer auch noch nicht erlebt.« Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. » Ich hoffe, mein Sohn gehört nicht zu denen, die dir solchen Unsinn erzählen. Er sollte es besser wissen.«
» Luc versteht es, glaube ich. Er vermisst sie auch.« Ich erinnerte mich, wie untröstlich er gewirkt hatte, als er mir sagte, dass Verity tot war, an die zärtliche Art, wie er einen Strauß Rittersporn auf ihrem Grab abgelegt hatte. In gewisser Weise verband uns der Verlust.
» Ja.« Sie tupfte sich geziert den Augenwinkel ab. » Er trägt seine Trauer anders als die meisten. Er hält sie so unter Verschluss, dass ich mir nicht sicher bin, ob er überhaupt weiß, was er sich damit antut.«
Ich zupfte an einem Grashalm und war erstaunt über das Zittern in ihrer Stimme. Es kam mir
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