Der Weg in Die Schatten
Was wollt ihr?«
Iron Mike schenkte ihr ein breites Grinsen und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Ach Pia, Liebes, dich zu sehen, ist schon meine ganze Wonne, aber ich nehm trotzdem einen Green River Pale, um mir den Staub runterzuspülen.«
Pia rümpfte die niedliche Nase und schauderte erregt. »Dein Akzent ist einfach toll.« Sie blinzelte Morrissey zu und wandte sich an seinen dunkelhäutigen Gefährten. »Und du, Tiger?«
Tiger warf seinem Freund einen Blick voller Abscheu zu und knurrte dann mit dem tiefen Baß seines Namensgebers. »Bring mir genau dasselbe wie dem Kobold da.«
»Dauert nur eine Sekunde«, sagte Pia lachend und verschwand im Nebel.
Tiger seufzte schwer. »Dein Akzent ist einfach toll!« äffte er die Bedienung nach. Iron Mike lachte über den krächzenden Falsett seines Partners. »O Junge, Eifersucht steht dir gar nicht! Und es heißt Gnom.«
»Alles Schwindel, zum Teufel.« Tigers mechanische Bernsteinaugen verengten sich. »Ich kannte dich schon, bevor du dir diese Geschichte vom ›Flüchtling aus Irland‹ ausgedacht hast. Du bist ein Koboldmensch, genau das bist du!«
Mike streckte sich und glättete dabei ein paar der Buckel, die durch die in seinen Körper implantierte Hautpanzerung hervorgerufen wurden. »Tiger, du kanntest mich halt nur schon, ehe ich zugab, ein Flüchtling von der grünen Insel zu sein.«
Tiger schüttelte den Kopf, konnte sich aber das Grinsen nicht verkneifen. »Wie kommt es dann, daß der Akzent und die Geschichte gleichzeitig auftauchten?«
»Details, Kumpelchen, Details. Du kannst meinen, daß ich es jetzt nur vortäusche oder ich meinen Akzent nicht eingestand, ehe ich mich sicher fühlte.«
Tiger bleckte die Zähne zu einem katzenhaften Knurren. »Ich wette, wenn dich jemand mitten in der Nacht weckt, dann redest du Stadtsprech wie wir alle.«
»Wenn du eine Freiwillige für das Wecken suchst, ich habe in ein paar Stunden frei«, bot sich Pia an, die gerade mit den Bieren zurückkam. Mike nahm seine Flasche zur Hand und prostete ihr zu. »Ach Mädchen, heute abend muß ich dein Angebot leider weiterreichen, weil mein Freund und ich ein paar Geschäfte erledigen müssen. In ein, zwei Tagen könnten wir allerdings etwas arrangieren.«
Sie reichte Tiger seine Flasche und drückte sich das Tablett an die Brust. »Ich seh in meinem Kalender nach und mache einen Termin.« Sie lächelte Tiger an. »Aber erwarte von mir nicht, das Geheimnis für dich zu lüften. Ich bin nicht so eine, die zum Aushorchen küßt. Das macht fünf fünfzig.«
Mike fischte eine Zehn‐Nuyen‐Münze aus der Tasche und knallte sie auf den Tisch, den Daumen fest auf Hirohitos Profil gedrückt. »Behalte den Rest für das Taxi zu mir, Liebes.«
Pia schnappte sich die Münze und zog sich wieder in den Dunst zurück. Tiger nahm einen Schluck Bier und betrachtete seinen Partner stirnrunzelnd. »Ich kann nicht glauben, daß du so leichtsinnig mit dem Geld umgehst, für das wir so hart arbeiten.«
Iron Mike zuckte die Achseln. »Ich gebe es den Mädchen und du deiner Schwester. Wir beide werfen es zum Fenster raus. Wie gewonnen, so zerronnen.«
»Das ist nicht dasselbe!« Mit dem Daumennagel fuhr Tiger die Initialen entlang, die jemand in den Tisch geritzt hatte.
Zorn pulsierte in seinen Adern, und ein Kräuseln fuhr durch Schultern und Arme, auf das hin die Messerkrallen unter den Fingernägeln hervorzuckten. Er kerbte noch mehr Holz aus der Tischplatte, dann zwang er sich zur Ruhe und zog die Klingen ein. »Tut mir leid. Du hast gar nicht mal unrecht.«
Mike packte Tigers Handgelenk und drückte es. »War nicht bös gemeint. Ich beneide dich um deine Wurzeln hier in Seattle. Du hast wenigstens Familie, während ich nicht weiß, ob meine Verwandten überhaupt noch leben ‐ und ich kann mir nicht vorstellen, daß sie von mir mehr wissen oder sich mehr aus mir machen.«
Tiger fiel der scharfe Kontrast zwischen Mikes heller Haut und seiner eigenen schwarzen auf. »Verschiedene Rassen, verschiedene Mütter, aber irgendwie finde ich, daß nur du meine richtige Familie bist.«
Mikes Kopf ruckte hoch. »Wird deine Schwester wieder von ihrem Alten geprügelt?«
»Er ist ein Simsinn‐Junkie.« Tiger zuckte die Achseln.
»Manchmal kriegt er den Unterschied zwischen der Realität und den Bändern nicht mehr gebacken und driftet ab.
LaVonne sagt, sie liebt ihn, und er wurde für die Kids sorgen, also hört sie nicht auf mich, wenn ich ihr sage, sie soll sich von ihm
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