Der Weg in Die Schatten
dem Fairview‐Towers‐Wohnkomplex gegenüber lagen. Der
Komplex war an einer Straße errichtet, die einen Berg hinab verlief, aus dem man einen ansehnlichen Brocken ausgegraben hatte, um den Fundamenten von Fairview ebenen Grund zu verleihen. Die beiden Türme standen einander diagonal an einem Hof gegenüber, der sich durch einen Springbrunnen und eine ansonsten flache Betonfläche auszeichnete, auf der noch leichte Spuren der Shuffleboard‐Plätze auszumachen waren, die sie einst geschmückt hatten.
»Jemand hat in der Stadt ein paar Faxfiles für mich durchgeblättert. Die Apartment‐Suite gehört Mr. Pantano seit drei Jahren. Er hat dafür 150.000 Nuyen in bar auf den Tisch geblättert, und mein Drähteschädel sagt mir, daß die Unterlagen getürkt sind.« Mike legte einen unbehaglichen Ausdruck an den Tag. »Ich weiß nicht, was das für ein Typ ist, aber alle Nachbarn, die ich seinetwegen angerufen habe, fanden, er hätte die Auszeichnung Vorbildlicher Bürger verdient.«
»Du nennst seine Wohnung immer noch eine Suite.« Tiger deutete mit einer Kopfbewegung auf die Türme. »Ich dachte, das hier wäre so eine Art Wartezimmer für angehende Engel.«
»War es auch, Tiger, wurde aber vor etwa fünf Jahren umgebaut. Sie haben alle Senioren die Küste hinunter oder rüber nach Renton verfrachtet. Im A‐Turm wurden Luxuswohnungen eingebaut, und im B‐Turm haben sie gar vier Suiten aus den jeweils sechzehn Wohnungen pro Stockwerk gemacht. Paxxon ist billig an seine gekommen. Die darüber ging für eine coole halbe Million an Nadia Mirin ‐ eine Vizepräsidentin von Natural Vat. Natürlich hat sie die Etage ganz oben, die Glückszahl Sieben.«
Tiger warf einen Blick auf die Uhr. »Ich hab neun Uhr. Checken wir noch mal alles, ehe wir reingehen.«
Mike nickte. »Kalaschnikow‐Smartgun mit vierzehn Ladestreifen. Ares Predator mit fünf Streifen. Obendrein habe ich zwei Rauchkanister mitgebracht. Ich bin ringsum kevlar‐gepolstert mit zusätzlichen Schockpads an Brust und Rücken.« Bei der Inventur der Waffen tastete sich Mike noch einmal mit den Handflächen ab, um sicherzugehen, daß er wirklich alles bei sich hatte. Als er eine Tasche an seinem Gürtel berührte, lächelte er. »Ich hab auch vier Meter Monofilament‐Draht mitgenommen, nur für den Fall, daß wir uns irgendwo den Weg freischneiden müssen.«
Tiger zuckte zusammen. »Puuh, ich hasse dieses Zeug! Ein Brieföffner von Industrieformat, der nur auf seine Gelegenheit wartet. Komm damit bloß nicht in meine Nähe!«
»Keine Bange. Du bist dran.«
»Ebenfalls die AK und Streifen im Wert von zwei Wochen Lohn. Dazu die abgesägte Doppelläufige und zwei Taschen mit insgesamt zwanzig Patronen. HE und Splitter.« Tiger patschte auf den dicken Gurt, den er um die Hüfte trug. »Dreihundert Meter Syntho‐Kabel und zwei Mikrogreifer. Und wenn jemand durch meine Panzerung möchte, wird er sich ebenso anstrengen müssen, als wollte er bei dir durchs Fleisch.«
»Gut.«
Tiger musterte seinen Partner. »Du hörst dich nicht übertrieben begeistert an.«
Iron Mike wollte schon die Achseln zucken, aber der Bewegungsansatz endete mit eine Schaudern. »Ich weiß nicht, woran es liegt, aber irgendwas kommt mir komisch vor.«
»In der Beziehung geht’s mir auch nicht besser, Mike. Wir können uns auch einfach verdrücken, wenn du möchtest.«
Mike harkte mit den Fingern durch das schwarze Haar. »Könntest du Mr. Johnson bis morgen früh sein Geld und das Tape zurückgeben?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.« Er zwang sich ein Lächeln ab. »Dann sehen wir lieber zu, daß wir die Sache hinter uns bringen, mein Junge. Locker rein und wieder raus.«
Tiger nickte wortlos und trat als erster aus der Gasse hinaus auf den Bürgersteig. Er schritt hügelabwärts und überquerte die Straße an der Einmündung einer Gasse zwischen dem Zaun des Fairview‐Towers‐Geländes und den umgebenden Wohnblocks, Mike begleitete ihn auf diesem Spaziergang durch die Dunkelheit. Hinter dem Komplex bogen sie seitwärts ab. Das Schloß des hinteren Tores war keine nennenswerte Herausforderung für Mikes Geschick im Umgang mit Türknackern.
Tiger fing Schloß und Kette auf, ehe sie klirrend auf dem Boden landeten. »Ich bin froh, daß du im Verlauf deiner verkorksten Jugend solche Sachen gelernt hast. Es ist einfacher, als die Dinger kaputtzuschießen, und auch viel sicherer, wenn man bedenkt, daß diese hier einer Kugel standhalten würden.«
»Du bist
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