Der Weg in Die Schatten
weil Lehrer nicht dafür bezahlt wurden, uns was beizubringen. Die Leute von der Wohlfahrt konnten uns nicht in ihre Programme aufnehmen, weil wir keine Systemidentifikation haben, und die Unternehmen wollten Mama keine richtige Arbeit geben. Es war immer nur vorübergehend und gab nie gutes Geld.
Weil Frankie seinen Job bei Natural Vat hat, haben meine Kinder SINs. Sie gehen zur Schule, sie erhalten Medikamente und können Hilfe bekommen, wenn sie welche brauchen. Eine Vizepräsidentin von Natural Vat, Nadia Mirin, hat das Computer‐für‐Kids‐Programm gestartet, und wir konnten Bobby dort unterbringen, weil er Frankies Sohn ist. Frank jr. sagen sie, ist vielleicht magisch begabt, und deshalb forschen sie auch nach! Mit ihren SINs haben meine Kinder eine Chance, die wir beide nicht bekamen. Und Frankie hat sogar Mama als Angehörige benannt, so daß Natural Vat sie in dem Heim drüben in Renton aufnahm.« LaVonne schluckte schwer.
»Wenn Frankie manchmal vergißt, daß er sich nicht in einem Sim‐Programm befindet, und mich schlägt, dann ist das ein Preis, den ich wirklich gern bezahle.«
Tiger blickte zu dem aufgesprungenen Linoleum hinunter.
»Wie geht es Mama?«
»Sie ist okay. Sie hat gute und schlechte Tage. Ich denke, sie ist vielleicht sogar bereit, dich wiederzusehen.« Bei dem hoffnungsvollen Unterton in der Stimme seiner Schwester fuhr Tigers Kopf hoch. »Was?«
LaVonne lächelte stolz. »Na ja, als ich sie vor zwei Wochen besucht habe, war das direkt, nachdem Dr. Ravens Freund, Wolfgang Kies, die Elfenfrau gerettet hatte. Sie fing gleich damit an, für wie nett sie Dr. Raven hielte und was er ihrer Meinung nach für gute Sachen machte. Ich merkte, daß sie auf ihre Enttäuschung über dich hinauswollte und darauf, daß ich ihr versprach, eine solche Entwicklung bei Bobby und Frank junior nicht zu dulden.«
»Dasselbe alte Lied, nur mit anderen Worten.«
»Gib die Hoffnung nicht auf! Ich sagte ihr, du wärst einer der Jungs gewesen, die Wolfgang geholfen haben, das Mädchen zu retten. Mama hielt sie für ‘ne Elfenfürstin oder sowas. Aber sie schien mir kein Wort zu glauben. Doch als ich diese Woche wieder bei ihr war, gratulierten mir all ihre Freunde für das, was du getan hast. Mama wollte mir nichts sagen, aber dein Bild stand wieder auf ihrer Ankleide. Ich denke, sie ist richtig glücklich darüber, daß du jetzt zu Dr. Raven gehörst.«
Tigers Krallen zuckten innerhalb eines Sekundenbruchteils unter den Nägeln hervor und fuhren wieder ein. Er sackte über der Stuhllehne zusammen, und seine Schwester trat zu ihm und streichelte ihm das Haar. »Was ist passiert, Gene? Ist es bei Raven nicht gelaufen? Ich weiß, du hast dir nichts sehnlicher gewünscht, als die Halloweener zu verlassen und dich ihm anzuschließen.«
Tiger kaute auf einem Hautfetzen der Unterlippe herum und versuchte erst mal den Kloß runterzuschlucken, der ihm im Hals steckte. »Die Raven‐Geschichte ist schiefgegangen. Zwei Wochen sind inzwischen vorbei, und es ist immer noch keine Nachricht gekommen. Ich habe wirklich geglaubt, Mike und ich hätten es geschafft. Wir haben alles getan, was Wolf von uns verlangte, und seine Leute rausgeholt, aber seitdem war nichts mehr von ihm zu hören.«
»Das tut mir leid.«
»Yeah. Es wird noch schlimmer.« Tiger schüttelte müde den Kopf, als er sich an Charles den Roten erinnerte. »Raven weiß nicht mal, daß es uns überhaupt gibt, und Charles der Rote hat uns bei den Halloweenern rausgeschmissen, weil er meint, wir wären Ravens Männer.«
LaVonne widmete sich wieder dem Chinatopf. »Nun, du wolltest doch sowieso bei den Halloweenern aufhören. Du sagtest, du seist inzwischen zu alt für die.«
»Stimmt, aber Mike und ich wollten vorher erst woanders unterkommen. Im Moment stecken wir jedoch splitternackt im Moskitoland.« Er holte tief Luft und seufzte schwer. »Was du damals gesagt hast, war richtig … Ich habe Raven als eine Art Frankie für Mike und mich betrachtet.«
LaVonne drehte sich um und musterte ihren Bruder. »Was ist denn wirklich los, Eugene? Ich habe dich noch nie so niedergeschlagen erlebt.«
Ehe er antworten konnte, ging die Tür auf, und Frankie kam in die Küche. »Was, zum Teufel, treibt der in meinem Haus?«
Obwohl er nicht ein Gramm an cybernetischer Verchromung aufwies, funkelte das Bantamgewicht von LaVonnes Ehemann Tiger an und riskierte die Konfrontation.
Tiger merkte, daß er einfach erschöpft war, denn Frankies Wut rief
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