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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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schienen sich aus dem Felsen zu stürzen. Eine stolpernde Frau blickte über ihre Schulter, und das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ein Mann zürnte der Wolke schwarzen Marmors, die seine Hände umfing. Eine nackte Frau lag erotisch mit verzücktem Blick in der Wolke, die sie verschlang.
    Trotz seiner Eile ließ die Skulptur Kylar wie angewurzelt stehen bleiben. Sie war wunderschön. Umwerfend. Sie vermischte Sinnlichkeit mit etwas Beunruhigendem, das Kylar nicht benennen konnte. Und sie zeigte unverkennbar Elene.
    So war das also. Kylar hatte das Gefühl, als risse ihm etwas den Magen entzwei. Er fühlte sich leer, roh. Natürlich schläft sie mit ihm. Er ist ein Herzog; sie ist eine Dienstmagd, und es ist schwer, nein zu sagen. Selbst wenn sie es wollte. Vielleicht wollte sie es nicht. Das passierte ständig.
    Er besah sich die Statue genau, bedachte die geschmeidigen Glieder, die schmale Taille und die hohen Brüste allerdings nur mit einem flüchtigen Blick - und fand, wonach er suchte. Obwohl er ihr eine perfekte Nase gegeben hatte, hatte der Herzog die Narben auf ihrem Gesicht angedeutet. Also sah der Mann sie nicht als Unvollkommenheiten. Er interessierte sich für die Rätsel darunter.
    Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Kunstwerke zu würdigen, verdammt. Mit einem Kloß in der Kehle lief Kylar auf den Fußballen den Flur entlang. Er riss sich den Beutel vom Rücken, und als er die Tür erreichte, hielt er seine Werkzeuge bereits in der Hand. Aus dem Raum drangen weder Licht noch Geräusche,
deshalb begann er sofort, das Schloss zu öffnen. Es hatte nur drei Stifte, daher leistete es lediglich drei Sekunden lang Widerstand. Kylar trat ein und verschloss die Tür hinter sich. Wenn Hu an die Tür kam, würde er drei Sekunden Vorwarnung haben, bevor der Blutjunge eintrat.
    Kylar zog den Klötendolch, den er sich ans Kreuz gebunden hatte. Den Griff zierten zwei Halbkugeln, die an Hoden erinnerten und der Waffe ihren Namen eingetragen hatten. Die Klinge war gut dreißig Zentimeter lang, und er hätte etwas von zehnfacher Größe vorgezogen, wenn er gegen Hu kämpfen musste, aber es war das Größte, was er ins Haus hatte schmuggeln können.
    Er unterzog den Raum einer schnellen Musterung. Die meisten Menschen waren, da sie sich über die Schwierigkeiten im Klaren waren, die das Leben eines Diebes mit sich brachte, so freundlich, die immer gleichen Verstecke zu benutzen. Kylar sah unter der Matratze nach, hinter den Gemälden und suchte sogar auf dem Boden unter dem Sekretär und mehreren der Stühle nach Falltüren. Nichts. Er überprüfte die Schubladen des Schreibpults auf falsche Böden. Immer noch nichts.
    Die meisten Menschen, die Dinge von großem Wert auf bewahrten, wollten in der Lage sein, ohne großen Aufwand nach ihnen zu sehen, daher betrat Kylar den riesigen Wandschrank nicht einmal. Wenn Herzogin Jadwin ihre kostbarste Habe keinem Dienstboten anvertraute, musste die Kugel in Reichweite sein.
    Das Ganze wurde dadurch nicht besser, dass die Herzogin eine Sammlerin zu sein schien. Und Blumen, wahrscheinlich zur Feier der Rückkehr des Herzogs hereingebracht, sprossen von jeder Oberfläche im Raum und verdeckten Kylar die Sicht.
    Also brachte der Herzog seiner Gemahlin Blumen. Und nach
dem moschusartigen Geruch in der Luft und den zerknitterten Laken auf dem Bett zu urteilen, hatte sie ihn anscheinend begeistert willkommen geheißen.
    Dann erregte eine der Vasen Kylars Aufmerksamkeit. Sie war aus kunstvoll geschnitzter Jade, aber wichtiger noch, sie hatte einen quadratischen Sockel. Kylar nahm sie vom Schreibpult. Rosen und andere Blumen fielen heraus. Ohne darauf zu achten, ging er mit der Vase zum Kaminsims und schob eine Schmuckschatulle aus Hartholz beiseite.
    Im Stein des Kaminsims war eine Vertiefung. Eine quadratische Vertiefung. Hoffnung wallte in Kylar auf.
    Der Prophet hatte recht.
    Der Sockel passte in die Vertiefung, und Kylar drehte ihn; ein gedämpftes Klicken folgte. Kylar nahm alle Nippessachen vom Kaminsims und legte sie auf den Boden. Auf verborgenen Angeln öffnete sich der gesamte Kaminsims.
    Ohne die Dokumente und Goldbarren zu beachten, griff Kylar nach der Schmuckschatulle. Sie war groß, groß genug, um der Kugel der Kanten Platz zu bieten. Kylar öffnete sie.
    Leer.
    Mit knirschenden Zähnen legte Kylar die Schatulle zurück und schloss den Kaminsims. Dies war also seine Lektion in Prophezeiung. »Eine quadratische Vase wird dir Hoffnung geben«, hatte Dorian

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