Der Weg in Die Schatten
um. Er hatte gedacht, dies würde einfach werden, dass er dafür sorgen konnte, dass sein Vater ihm praktisch für nichts einen großen Gefallen schuldete. Jetzt erkannte er, dass er sich in Trudana Jadwin eine Feindin fürs Leben geschaffen hatte. Nie wieder, versprach er sich. Ich werde nie wieder mit einer verheirateten Frau schlafen.
Das Geräusch einer Schublade, die aufglitt, beachtete er überhaupt nicht. Er wollte Trudana nicht noch einmal ansehen. Er würde nicht einmal lang genug bleiben, um seine Hose wieder zu schnüren. Eine Sekunde länger war eine Sekunde zu viel.
Seine Hand lag auf dem Riegel, als er das schnelle Schlurfen ihrer Füße hörte. Dann stach etwas Heißes in seinen Rücken.
Es fühlte sich an wie ein Wespenstich. Dann krachte Trudanas Körper gegen seinen, und er spürte, wie der Stachel tiefer sank. Sein Kopf schlug gegen die Tür vor ihm, und wieder spürte er das Stechen.
Es war kein Stich. Es war zu tief. Er ächzte, als ein Tosen seine Ohren erfüllte. Mit seiner Lunge stimmte etwas nicht. Er atmete nicht richtig. Das Stechen dauerte an, und das Tosen schwoll ab. Die Welt nahm verblüffende Klarheit an.
Er wurde erstochen. Von einer Frau. Im Grunde war es peinlich. Er war der Prinz. Er war einer der besten Schwertkämpfer des Reiches, und dieses alte Weib mit dem fetten Hintern und den ungleichmäßigen Hängebrüsten tötete ihn.
Sie keuchte ihm praktisch ins Ohr, genau wie sie es getan hatte, wenn sie sich geliebt hatten. Und sie sprach, sie weinte, als täte ihr irgendwie jeder Stoß weh. Das Miststück suhlte sich in Selbstmitleid. »Es tut mir leid, oh, oh, es tut mir leid. Du weißt nicht, wie er ist. Ich muss ich muss ich muss.«
Sie stach weiter zu, und es ärgerte ihn. Er starb bereits, und seine Lunge füllte sich mit Blut. Hustend versuchte er, sie freizubekommen, was nur dazu führte, dass er die Tür mit Blut bespritzte, aber seine Lunge war Hackfleisch, und das Blut strömte zurück in die Löcher.
Er sackte zusammen, fiel vor der Tür auf die Knie, und sie hörte endlich auf. Ihm wurde schwarz vor Augen, und sein Gesicht sank gegen die Tür.
Das Letzte, was er durch das Schlüsselloch sah, war ein Auge auf der gegenüberliegenden Seite, das ihn emotionslos sterben sah.
Er fand die Tür ohne Probleme. Sie war verschlossen, aber er hatte sie binnen Sekunden geöffnet. Lass sie schlafen. Bitte.
Als er die Tür zu dem vollgestopften Raum aufdrückte, sah Kylar als Erstes ein übergroßes Beil. Es lag in Elenes Hand. Und sie war absolut wach.
In der Dunkelheit erkannte Elene ihn offensichtlich nicht. Sie schien hin- und hergerissen zwischen zwei Möglichkeiten: Sie konnte schreien oder auf ihn einschlagen. Als ihr Blick auf den Dolch in seiner Hand fiel, beschloss sie, beides zu tun.
Kylar schlug mit der flachen Seite seines Klötendolchs nach ihrer Hand und entriss ihr das Beil. Er wich einer tastenden Hand aus, sprang hinter sie und hielt ihr den Mund zu.
»Ich bin es. Ich bin es!«, sagte er, während er sich hin und her wand, um nicht von ihren fliegenden Ellbogen getroffen zu werden. Er konnte ihr nicht eine Hand auf den Mund drücken und beide Arme festhalten und den Tritten Einhalt gebieten, mit denen sie auf seine Lenden zielte. »Sei still, oder deine Herrin stirbt!«
Als sie wieder zu Verstand zu kommen schien, ließ Kylar Elene schließlich los. »Ich wusste es!«, sagte sie wütend. »Ich wusste, dass ich dir nicht trauen kann. Ich wusste, dass du es sein würdest.«
»Ich meinte, dass deine Herrin sterben wird, weil dein Lärm den Blutjungen hierherführen wird.«
Stille, dann: »Oh.«
»Ja.« In dem von schwachem Mondlicht erhellten Raum konnte er sich nicht sicher sein, aber Kylar glaubte, dass sie errötete.
»Du hättest anklopfen können«, murmelte sie.
»Tut mir leid. Alte Angewohnheit.«
Mit plötzlicher Verlegenheit nahm sie das Hackbeil vom Bett und schob es unter ihr Kissen. Dann blickte sie peinlich berührt auf ihr Nachthemd hinab, das enttäuschend keusch war,
schnappte sich einen Morgenmantel und kehrte Kylar den Rücken zu, während sie das Gewand überstreifte.
»Ganz ruhig«, sagte Kylar, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. »Es ist ein wenig zu spät für Keuschheit. Ich habe deine Statue gesehen. Du siehst nackt sehr gut aus.« Warum hatte er diese letzte Bemerkung so gedreht, dass es sich anhörte, als wäre sie eine Hure? Selbst wenn sie mit dem Herzog schlief, welche Wahl hatte sie schon? Sie war eine Dienstmagd
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