Der Weg in Die Schatten
im Haus des Mannes. Es war nicht fair, aber Kylar fühlte sich dennoch verraten.
Elene sackte in sich zusammen, als hätte er ihr in den Magen getreten.
»Ich habe sie angefleht, die Statue nicht zur Schau zu stellen«, sagte sie. »Aber sie war so stolz darauf. Sie meinte, ich solle ebenfalls stolz sein.«
»Sie?«
»Die Herzogin«, antwortete Elene.
»Die Herzogin?«, wiederholte Kylar töricht. Nicht der Herzog. Nicht der Herzog?
Er war gleichzeitig ungeheuer erleichtert und verwirrter denn je. Warum sollte er erleichtert sein?
»Hast du gedacht, ich würde dem Herzog nackt Modell stehen?«, fragte sie. »Was denkst du, dass ich seine Geliebte bin?« Ihre Augen weiteten sich, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah.
»Nun...« Kylar hatte das Gefühl, als habe er sie zu Unrecht bezichtigt, dann wurde er wütend, weil sie ihn dafür in Verlegenheit brachte, dass er einen vollkommen logischen Schluss gezogen hatte, dann wurde er wütend, weil er seine Zeit damit verschwendete, mit einem Mädchen zu reden, während draußen im Flur wahrscheinlich ein Blutjunge wartete. Das ist Wahnsinn. »So etwas kommt vor«, verteidigte er sich.
Warum tue ich das?
Aus demselben Grund, warum ich sie von Ferne beobachtet habe. Weil ich von ihr berauscht bin.
»Nicht bei mir«, sagte Elene.
»Du meinst, du bist eine...« Er versuchte, höhnisch zu klingen, aber seine Stimme verlor sich. Warum wollte er höhnisch klingen?
»Eine Jungfrau? Ja«, erwiderte sie ohne Verlegenheit. »Und du?«
Kylar biss die Zähne zusammen. »Ich - hör mal, hier läuft ein Mörder rum.«
Elene schien eine Bemerkung darüber machen zu wollen, dass Kylar ihrer Frage auswich, doch dann verdüsterte sich ihr Blick. »Zwei«, sagte sie leise.
»Was?«
»Zwei Mörder.«
Sie meinte ihn. Kylar nickte und hatte wieder einen Kloß in der Kehle. Plötzlich schämte er sich dessen, was er war. »Ja, zwei. Ich habe Hu hereinkommen sehen, Elene. Ist die Kugel in Sicherheit?«
Er beobachtete ihre Augen. Wie erwartet zuckten sie in die Richtung, in der der Ka’kari versteckt war: auf dem Boden ihres Wandschranks.
»Ja«, antwortete sie. »Er ist...« Ihre Stimme erstarb. »Du wirst ihn stehlen.«
»Es tut mir leid«, sagte Kylar.
»Und jetzt weißt du, wo ich ihn versteckt habe. Du hast mir eine Falle gestellt.«
Sie war naiv, aber sie war nicht dumm. »Ja.«
Ärger blitzte in ihren braunen Augen auf. »Gibt es überhaupt einen Meuchelmörder, oder war alles eine Lüge?«
»Es gibt einen. Ich gebe dir mein Wort«, sagte Kylar und wandte den Blick ab.
»Was immer das wert sein mag.«
Autsch. »Es tut mir leid, Elene, aber es muss sein.«
»Warum?«
»Es ist schwer zu erklären«, antwortete er.
»Ich habe mich den ganzen Tag über wegen all der Dinge geschämt, die ich jemals an dich geschrieben habe. Ich habe mich den ganzen Tag schrecklich gefühlt bei dem Gedanken, wie viel du mir gegeben hast. Ich habe den Wachen nicht einmal gesagt, dass du kommen würdest, weil ich dachte... ich dachte... Du bist wirklich das Letzte, Kylar «, sagte sie. »Ich schätze, Azoth ist tatsächlich tot.«
Nicht so. Nicht so.
»Ich muss ihn wirklich mitnehmen«, erklärte er.
»Ich kann dir nicht erlauben, das zu tun«, entgegnete sie.
»Elene, wenn du hierbleibst, werden sie denken, du hättest mir geholfen. Wenn Hu dich nicht tötet, werden es die Jadwins vielleicht tun. Sie könnten dich in den Schlund werfen. Elene, komm mit mir. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie das täten.«
»Du wirst es schon schaffen. Und gib Geld, wem immer gegenüber dich Schuldgefühle quälen.«
»Sie werden dich töten!«
»Ich werde Gutes nicht mit Bösem vergelten.«
Ihm lief die Zeit davon. Er musste weg von hier.
Kylar atmete aus. Also entwickelte sich heute Abend alles auf die denkbar schlechteste Weise. »Dann entschuldige ich mich dafür«, sagte er, »aber ich tue es, um dich zu retten.«
»Was denn?«, fragte sie.
Er schlug sie, zweimal. Einmal auf den Mund, hart genug, dass sie blutete. Und einmal auf ihre schönen, durchdringenden
Augen, hart genug, dass sie blau anlaufen und anschwellen würden, damit sie nicht sahen, was er tat. Als sie rückwärtstaumelte, wirbelte er sie herum und nahm sie in den Würgegriff. Sie zappelte vergeblich in seinen Armen und dachte zweifellos, dass er sie töten würde. Aber er hielt sie lediglich fest und stach eine Nadel in ihren Hals. Binnen Sekunden war sie bewusstlos.
Das wird sie mir niemals verzeihen. Ich
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