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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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hindurchfloss.
    Er wusste nicht, wie lange es dauerte. Er schwitzte und schauderte und fror. Allmählich wich die Kälte aus seinen Gliedern. Noch langsamer wurde sie durch Wärme ersetzt. Vielleicht Sekunden, vielleicht eine halbe Stunde später fand Kylar sich auf dem Boden wieder.
    Seltsamerweise fühlte er sich gut. Selbst mit dem Gesicht nach unten auf dem Stein liegend, fühlte er sich gut. Vollständig.
Als sei eine Kluft überbrückt worden, ein Loch gefüllt. Ich bin ein Ka’karifer. Dafür wurde ich geboren.
    Dann fiel es ihm wieder ein. Er blickte auf. Nach dem Ausdruck erstarrten Entsetzens auf Durzos Gesicht zu urteilen, konnte das Ganze nur Sekunden gedauert haben. Kylar sprang auf, und er fühlte sich stärker, gesünder und energiegeladener als je zuvor, seit er denken konnte.
    Der Ausdruck auf Durzos Gesicht war nicht Ärger. Es war Trauer. Ein Gefühl unendlichen Verlustes.
    Kylar drehte langsam die Hand um. Die Haut auf der Innenfläche war noch immer offen, aber der Schnitt blutete nicht mehr. Der Ka’kari schien in...
    Nein. Das war unmöglich.
    Aus jeder Pore seiner Hand quoll Schwärze wie Schweiß. Sie gerann. Binnen eines Augenblicks lag der Ka’kari auf seiner Hand.
    Ein seltsamer Jubel erfüllte Kylar. Furcht folgte. Er war sich nicht sicher, ob der Jubel zur Gänze sein eigener war. Es war, als sei der Ka’kari glücklich, ihn gefunden zu haben. Er drehte sich zu Durzo um und kam sich töricht vor, so ratlos, dass er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte.
    Es war der Moment, in dem ihm auffiel, wie klar er Durzos Gesicht sehen konnte. Der Mann stand noch immer im Flur, und die Laterne war hinter ihm. Einen Moment zuvor - vor dem Ka’kari - war sein Gesicht beinahe unsichtbar gewesen. Kylar konnte noch immer die Schatten sehen, die auf den Boden fielen, wo Durzo dem Licht Einhalt gebot, aber er konnte durch sie hindurchsehen. Es war, als schaue er durch Glas. Er konnte erkennen, dass das Glas da war, aber es versperrte ihm nicht die Sicht. Kylar blickte sich in Elenes kleinem Zimmer um und sah, dass das Gleiche für alles galt, was er betrachtete. Die Dunkelheit
hieß seine Augen jetzt willkommen. Seine Augen waren schärfer, klarer - er konnte weiter sehen, konnte die Burg auf der anderen Seite des Flusses sehen, als sei es heller Mittag.
    »Ich muss den Ka’kari haben«, sagte Durzo. »Wenn er ihn nicht bekommt, wird er meine Tochter töten. Ihr Nachtengel lasst Güte walten, Kylar, was hast du getan?«
    »Ich? Ich habe gar nichts getan!«, beteuerte Kylar. Er hielt Durzo den Ka’kari hin. »Nehmt ihn. Ihr könnt ihn haben. Holt Eure Tochter zurück.«
    Durzo nahm ihm die Kugel ab. Er blickte in Kylars Augen, und seine Stimme war klagend. »Du hast ihn gebunden, Kylar. Deine Magie wird jetzt funktionieren, ob du ihn in der Hand hältst oder nicht, aber seine anderen Kräfte werden niemandem zur Verfügung stehen, bis du tot bist.«
    Von der Treppe kam das Geräusch eiliger Schritte. Jemand musste Durzos Schrei gehört haben. Kylar musste jetzt gehen. Er begann erst langsam, die Bedeutung von Durzos Worten zu begreifen.
    Durzo drehte sich um, um sich dem entgegenzustellen, der da die Treppe herauf kam, und die Worte des Propheten hallten in Kylars Ohren wider: »Wenn du Durzo Blint morgen nicht tötest, wird Khalidor Cenaria unterwerfen.«
    Der Klötendolch lag in seiner Hand. Durzo drehte ihm den Rücken zu. Kylar konnte es jetzt beenden. Nicht einmal Durzos Reflexe konnten ihn aufhalten, wenn Kylar so nah war. Es würde bedeuten, dass er eine Invasion auf hielt, dass er jeden rettete, den er liebte - gewiss bedeutete es, dass er in diesem Augenblick Elenes Leben in Händen hielt. Das Leben Logans. Vielleicht das der Drakes. Vielleicht hing die ganze Invasion davon ab. Vielleicht balancierten gerade jetzt Hunderte oder Tausende von Menschenleben auf der Spitze seines Dolchs. Ein schneller,
schmerzloser Stoß, und Durzo würde sterben. Hatte er nicht gesagt, dass Leben leer sei, wertlos, bedeutungslos, billig? Er würde nichts von Wert verlieren, wenn er sein Leben verlor, das hatte er geschworen.
    Durzo hatte dies gesagt und noch mehr, aber Kylar hatte ihm niemals wirklich geglaubt. Momma K hatte Durzo mit ihren Lügen bereits einen Dolchstoß in den Rücken versetzt; Kylar konnte das Gleiche nicht mit den Händen tun.
    Der Moment nahm verblüffende Klarheit an. Er erstarrte wie ein Diamant und drehte sich vor seinen Augen, jede Facette glänzend, jede eine mögliche Zukunft,

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