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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Mitternacht.
    »Soll ich Eure Ankunft ausrufen, Mylord?«, fragte Gurden Fray, sein Wachmann.
    »Nein.« Regnus saß ab und stöberte in seinen Satteltaschen, bis er den Schlüssel fand. Er öffnete das Tor und zog sein Schwert.
    Zu beiden Seiten des Tores lag, außerhalb des Lampenlichts, ein Leichnam. Beiden war die Kehle aufgeschlitzt worden.
    »Nein«, sagte Regnus. »Nein.« Er begann auf die Villa zuzurennen.

    Er stürzte durch die Haustür und sah überall Rot. Zuerst weigerte sich sein Verstand, es zu akzeptieren. In jedem Raum fand er Tote. Alle sahen so aus, als seien sie überrascht worden. Nichts war zerbrochen. Es gab überhaupt keine Spuren von Gewalt, nur die Leichen. Nicht einmal die Wachleute hatten gekämpft. Beinahe allen war die Kehle aufgeschlitzt worden. Dann hatte man die Leichen umgedreht, so dass sie so viel wie möglich bluteten. Hier saß der alte Dunnel mit dem Kopf nach unten in einem Sessel. Marianne, die Logans Amme gewesen war, hatte man mit dem Kopf auf der untersten Stufe vor die Treppe gelegt. Es war, als sei der Tod selbst durchs Haus geschlendert, und niemand hatte auch nur versucht, ihn aufzuhalten. Überall sah Regnus vertraute Dienstboten, Freunde, Tote.
    Er rannte die Treppe hinauf, vorbei an der Skulptur der Grasq-Zwillinge, auf Catrinnas Zimmer zu. Im Flur sah er die ersten Spuren eines Kampfes. Ein Schwert hatte eine Vitrine zerschlagen. Bei einem Porträt seines Großvaters fehlte ein Stück vom Rahmen. Die Wachen waren kämpfend gestorben, die tödlichen Verletzungen an der Brust oder im Gesicht. Aber der Sieger war offenkundig, denn jedem Leichnam war die Kehle aufgeschlitzt worden, und jemand hatte die Beine der Toten gegen die Wände gestützt. Die Pfützen von einem Dutzend Männer verschmolzen miteinander und bedeckten den Boden, als sei es ein See aus Blut.
    Gurden kniete nieder und berührte den Hals eines Freundes. »Sie sind noch warm«, sagte er.
    Regnus trat die Tür zu seinem Zimmer auf. Sie schlug lautstark gegen die Wand; wenn sie früher in der Nacht verschlossen gewesen war, war sie es jetzt nicht mehr.
    Vier Männer und zwei Frauen lagen dort nackt mit dem Gesicht nach unten in einem offenen Kreis. Über ihnen hing, ebenfalls nackt, Catrinna, die mit einem Fuß an den Kronleuchter
gebunden worden war, während das andere Bein auf groteske Weise herunterbaumelte. Jede Leiche trug ein Wort, das ihr in den Rücken geritzt worden war: LIEBE UND KÜSSE, HU GIBBET. Das Messer, das aus dem Rücken seines Haushofmeisters, Wendel North, ragte, diente als Punkt.
    Regnus rannte los. Er rannte von Zimmer zu Zimmer, untersuchte die Toten, rief ihre Namen und drehte sie um, um ihre Gesichter zu betrachten. Am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, dass Gurden ihn schüttelte.
    »Herr! Herr! Er ist nicht hier. Logan ist nicht hier. Wir müssen fort von hier. Kommt mit mir.«
    Er ließ sich von Gurden nach draußen zerren, und der Geruch von Luft ohne Blut darin war angenehm. Irgendjemand wiederholte immer wieder: »Oh mein Gott. Oh mein Gott. Oh mein Gott.« Es war er. Er faselte. Gurden achtete nicht auf ihn, sondern zog ihn stolpernd weiter.
    Sie erreichten die Eingangstür, gerade als sechs der besten Lanzenreiter des Königs mit erhobenen Lanzen herbeigeritten kamen.
    »Halt!«, rief ihr Leutnant. Seine Männer verteilten sich um Regnus und Gurden herum. »Halt! Seid Ihr Regnus Gyre?«
    Etwas an dem nackten Stahl und dem Klang seines eigenen Namens riss ihn ins Bewusstsein zurück. »Ja«, antwortete er und blickte auf seine blutigen Kleider hinab. Dann fügte er ein wenig kräftiger hinzu: »Ja, der bin ich.«
    »Lord Gyre, ich habe den Befehl, Euch unter Arrest zu stellen. Es tut mir leid, Herr.« Er war jung, dieser Leutnant. Seine Augen waren groß, als könne er nicht glauben, wen er da unter Arrest stellte.
    »Mich unter Arrest stellen?« Er gewann langsam wieder die Kontrolle über seinen Verstand, der durchgegangen war wie ein entsetztes Pferd.

    »Ja, Mylord. Wegen der Ermordung Catrinna Gyres.«
    Eine Woge der Kälte schlug über Regnus zusammen. Er konnte stark sein, oder er konnte zerbrechen. Er biss die Zähne zusammen, und die Tränen, die aus seinen Augen sprangen, wirkten seltsam deplatziert angesichts des befehlsgewohnten Tonfalls seiner Stimme. »Wann habt Ihr Eure Befehle bekommen, Sohn?«
    »Vor einer Stunde, Herr«, antwortete der Leutnant, dann wirkte er verärgert, weil er so automatisch einem Mann gehorchte, den er unter Arrest nehmen

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