Der Weg in Die Schatten
sollte.
»Sie ist erst seit fünfzehn Minuten tot. Also, sagt mir, was verrät Euch das über Eure Befehle?«
Der Leutnant erbleichte. Einen Moment später gerieten die Lanzenträger ins Wanken. »Unser Hauptmann hat gesagt, man hätte Euch gesehen, wie Ihr... wie Ihr es getan habt, Herr. Das hat er vor einer Stunde gesagt.« Der Leutnant sah Gurden an. »Ist es wahr?«
»Geht und seht selbst«, erwiderte Gurden.
Der Leutnant ging hinein, während die Männer den Herzog und Gurden nervös bewachten. Einige von ihnen spähten durch die Fenster und wandten schnell den Blick ab. Regnus war ungeduldig, als bestehe die Gefahr, dass sein Geist ihn wieder verlassen würde, wenn er zu lange untätig blieb. Neue Tränen strömten ihm über die Wangen, und er wusste nicht, warum. Er musste nachdenken. Er könnte den Namen des Hauptmanns in Erfahrung bringen, aber der Mann befolgte lediglich Befehle. Seien es Befehle von den Sa’kagé oder vom König.
Einige Minuten später kehrte der Leutnant zurück. Er hatte Erbrochenes im Bart und zitterte heftig. »Ihr dürft gehen, Lord Gyre. Und es tut mir leid... Lasst ihn gehen.«
Die Männer zogen sich zurück, und Regnus saß auf, aber er
ritt nicht davon. »Werdet Ihr den Männern dienen, die meine ganze Familie abgeschlachtet haben?«, fragte Regnus. »Ich habe die Absicht, meinen Sohn zu suchen, und ich habe die Absicht, den zu finden, der...« Seine Stimme verriet ihn, und er musste sich räuspern. »Kommt mit mir, und ich schwöre, Ihr werdet in Ehren dienen.« Bei den letzten Worten brach seine Stimme, und er wusste, dass er nicht weitersprechen konnte.
Der Leutnant nickte. »Wir werden Euch begleiten, Herr.« Die Männer nickten ebenfalls, und Regnus hatte seinen ersten Zug. »Mylord«, fügte der Leutnant hinzu. »Ich... ich habe sie abgeschnitten, Herr. Ich konnte sie nicht so zurücklassen.«
Regnus war außerstande zu sprechen. Er riss heftig an seinen Zügeln und galoppierte auf die Tore zu. Warum habe ich das nicht getan? Sie war meine Frau. Was für eine Art Mann bin ich?
Lordgeneral Agon war einer der wenigen Adligen, die am vergangenen Abend nicht bei dem Fest der Jadwins gewesen waren. Er war nicht eingeladen gewesen. Nicht dass er dies als Verlust empfunden hätte.
Die Sonne stahl sich gerade über den Horizont, und im Lichte des Tages sah die Situation nicht besser aus. Normalerweise würde sich natürlich die Stadtwache um einen Mordfall kümmern. Aber normalerweise waren die Mordopfer auch keine Thronanwärter. Diesen Fall musste Agon persönlich überwachen.
»Warum erzählt Ihr mir nicht, was wirklich geschehen ist, Mylady«, sagte Agon. Ganz gleich, was er hier tat, er würde der Verlierer sein.
Lady Jadwin rümpfte die Nase. Sie war ehrlich bekümmert, dessen war Agon gewiss. Nicht sicher war er sich dagegen, ob es daran lag, dass sie erwischt worden war, oder daran, dass sie den
Tod des Prinzen bedauerte. »Ich habe es Euch erzählt«, sagte sie. »Ein Blutjunge -«
»Ein was?«
Sie brach ab.
»Woher wisst Ihr, was ein Blutjunge ist, Trudana?«
Sie schüttelte den Kopf. »Warum versucht Ihr, mich zu verwirren? Ich sage Euch, ein Meuchelmörder war hier, er hat in diesem Flur gestanden. Denkt Ihr, ich hätte meinen eigenen Wachposten geköpft? Denkt Ihr, ich sei stark genug dafür? Warum hört Ihr nicht auf Elene? Sie wird es Euch sagen.«
Verwünscht. Er hatte daran gedacht. Er bezweifelte nicht nur, dass Lady Jadwin stark genug war, um einen Mann zu köpfen, sie hatte obendrein keine Waffe gehabt, um es zu tun. Und wenn sie soeben den Prinzen ohne ein Wort ermordet hatte, warum sollte sie dann Alarm schlagen und Menschen nach oben rufen, bevor sie eine Gelegenheit hatte, das Blut von ihren Händen und ihrem Gesicht zu waschen?
»Erklärt mir dies«, verlangte er. Er hob das rote Kleid hoch, das sie am Abend zuvor getragen hatte. Seine Männer hatten es zerknüllt oben im Wandschrank gefunden. Es war noch immer feucht von nur langsam trocken werdendem Blut. Und es war eine Menge Blut.
»Nachdem... nachdem der Meuchelmörder den Prinzen erstochen hatte, stürzte er, und ich... ich habe ihn aufgefangen. Und er starb in meinen Armen. Ich habe versucht, Hilfe zu holen, aber der Meuchelmörder war noch im Flur. Ich hatte Todesangst. Ich bin in Panik geraten. Ich konnte es nicht ertragen, all das Blut auf meinem Körper zu haben.«
»Was habt Ihr beide allein im Schlafgemach getan?«
Die Herzogin starrte ihn an, als seien ihre Augen
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