Der Weg in Die Schatten
wirklich unter Agons Befehl. Obwohl sie nicht befreundet waren, verstanden sie sich glücklicherweise so gut, dass Hauptmann Arturian den Fingerzeig begriff und sich entschuldigte.
Es würde keinen Spaß machen, einem Mann, der gerade wegen eines Mordes, den er nicht begangen hatte, eingekerkert worden war, mitzuteilen, dass seine Familie niedergemetzelt worden war, aber es war Agons Pflicht. Und seine Pflicht tat er immer.
Bevor er die Tür aufschloss, klopfte Agon an, als komme er zu Besuch. Als wären sie irgendwo anders, nur nicht im Schlund. Er bekam keine Antwort.
Schließlich öffnete er die Tür. Die Zellen der Adligen maßen gut drei Meter im Quadrat, und der Stein war zur Gänze glatt poliert worden, um Selbstmorde zu vereiteln. Jede Zelle hatte einen kahlen Felsblock, der als Bett diente, und jede Woche wurde frisches Stroh hereingebracht. Dies war nur im Vergleich zum Rest
des Schlunds ein Luxus, und selbst frisches Stroh konnte nicht den Gestank nach faulen Eiern auslöschen oder den gärenden Geruch von zu vielen Menschen auf zu engem Raum, der vom Rest der Zellen heraufwehte. Logan schien nichts von alledem zu bemerken. Er sah furchtbar aus. Tränen strömten über sein zerschundenes Gesicht. Als Agon eintrat, blickte er auf, aber es dauerte lange, bis seine Augen klar wurden. Er wirkte verloren, seine massigen Schultern hingen herab, seine großen Hände lagen offen auf seinem Schoß, und sein Haar war wirr. Er war nicht allein. Die Königin saß neben ihm und hielt eine dieser schlaffen, offenen Hände, wie man die Hand eines Kindes halten würde.
Gott schütze die Frau. Sie war hergekommen, um es ihm selbst zu sagen.
König Aleine IX. hatte, was Nalia Wesseros betraf, alles falsch gemacht. Nalia hätte eine seiner größten Verbündeten sein können. Was für eine Königin hätte sie für Regnus Gyre abgegeben. Stattdessen hatte sie es akzeptiert, an den Rand von Aleines Cenaria gedrängt zu werden, es war ihr sogar willkommen gewesen, und sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihre vier - jetzt drei - Kinder zu bemuttern. Agon argwöhnte schon seit langem, dass die Kinder alles waren, was sie am Leben hielt.
»Meine Königin. Mylord«, sagte Agon.
»Vergebt mir, wenn ich mich nicht erhebe«, bemerkte Logan.
»Eine unnötige Bitte.«
»Sie sagen, mein Vater sei ebenfalls tot. Oder sie sagen, dass er es getan habe. Dass der König Männer ausgeschickt habe, um ihn wegen der Ermordung meiner Mutter in Arrest zu nehmen. Was ist geschehen?«, fragte Logan.
»Soweit ich weiß, lebt Euer Vater noch. Er ist mit nur ein oder zwei Männern hier eingetroffen, nachdem er außerhalb der
Stadt angegriffen wurde. Irgendjemand hat versucht, alle Gyres bis auf Euch auszulöschen. Man hat Männer ausgeschickt, um ihn in Arrest zu nehmen, aber dies geschah nicht auf Befehl des Königs. Ich habe nicht herausgefunden, wer den Befehl gegeben hat. Noch nicht. Diese Männer sind entweder aus der Stadt geflohen oder haben sich Eurem Vater angeschlossen.«
»Lordgeneral, ich habe Aleine nicht getötet«, sagte Logan. »Er war mein Freund. Selbst wenn er getan hat... was behauptet wird.«
»Das wissen wir. Wir - die Königin und ich - glauben nicht, dass Ihr es gewesen seid.«
»Er hat gestern Abend mit mir gesprochen, und er wusste, dass ich Serah einen Antrag machen wollte. Er hat versucht, es mir auszureden, und mich an die Gerüchte über Serah erinnert. Er hatte diese verrückte Idee, dass ich Jenine heiraten solle. Ich fand es merkwürdig und dachte, dass er großmütig sei. Es war kein Großmut. Es waren Schuldgefühle. Dieser verdammte Kerl!«
Logan sah die Königin an. »Es tut mir leid. Ich sollte nicht so reden, aber ich bin so furchtbar wütend - und gleichzeitig fühle ich mich deswegen so schuldig! Ich hätte ihnen vergeben, Euer Majestät. Das hätte ich getan. Götter! Warum haben sie es mir nicht einfach gesagt?«
Für eine Weile weinten sie lautlos miteinander, und die Königin drückte nur Logans Hand.
Nach einer Minute blickte Logan zu Agon auf. »Sie sagen, Kylar habe es getan. Bei Graf Drake habe ich gesehen, wie er sich bewegte. Er war schnell. Zu schnell. Aber seid Ihr Euch sicher?«
Götter. Der Junge war soeben von seiner Verlobten und dem Prinzen verraten worden. Jetzt wollte er wissen, ob auch sein bester Freund ihn verraten hatte. Agon wusste nicht, ob er es
überleben würde - und es war wichtig, dass er überlebte -, aber Logan verdiente die Wahrheit. Agon brachte es
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