Der Weg in Die Schatten

gesagt, dass unregelmäßige Ränder die Gestalt kaschierten und es schwieriger machten, einen Blutjungen zu erkennen. Kylar dachte, dass seine Magie auch seine Schritte dämpfen würde - er wollte es so -, aber er hatte keine Ahnung, ob es tatsächlich so war. Er konnte es sich nicht leisten, es auf die harte Tour herauszufinden.
    Er umrundete die nächste Ecke und sah die Wachen. Die Westbrücke wurde von einem großen Tor, das den Toren der Burg ähnelte, geschützt. Handdicke Eiche verstärkt mit Eisen, sieben Meter hoch und an der Oberkante mit Dornen bewehrt und mit einem kleineren Tor in dem großen. Die gepanzerten Wachen - von riesenhaftem Wuchs - wirkten nervös. Eine zappelte und drehte unbeholfen den Kopf, um nach links und rechts zu schauen. Die andere war ruhiger und schaute bewusst in jede Richtung, nur nicht zum Fluss hinunter. Kylar kam näher. Er erkannte die Männer trotz ihrer Helme und nicht nur, weil die Zwillinge zueinanderpassende Blitze auf ihren Gesichtern eintätowiert hatten. Sie waren Schläger, die ihr Geschäft verstanden: Lefty - er war der mit der schiefen Nase - und Bernerd.
    Kylar schaute dorthin, wo Bernerd nicht hinschaute. In der Dunkelheit lag eine sperrige Barkasse im Fluss wie eine gestrandete Seekuh. Die Türen der Decksauf bauten standen offen, aber niemand hielt irgendwelche Lichter. Doch Dunkelheit hatte
keine Wirkung mehr auf Kylars Augen. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätte er darüber gestaunt - wenn die Nacht sich herabsenkte, wurde seine Sicht eher noch besser, da die Schatten einförmiger wurden.
    Durch die offenen Türen der Barkasse sah er Reihe um Reihe Soldaten stehen. Ein jeder trug cenarische Livree, aber mit einem roten Tuch um den Arm: gewöhnliche Soldaten mit Tüchern am linken Arm, Offiziere mit Tüchern am rechten.
    Diese Soldaten waren keine Cenarier. Unter ihren Helmen, verborgen in den Schatten der Nacht, sah Kylar die starren, kalten Züge von Nordmännern: Haar so schwarz wie eine Rabenschwinge und Augen so blau wie zugefrorene Seen. Es waren massige, grobknochige Männer, wettergegerbt und abgehärtet durch die Zeit, die sie den Elementen und Schlachten ausgesetzt gewesen waren. Sie waren nicht einfach nur Khalidori. Sie waren khalidorische Hochländer, die wildesten Krieger des Gottkönigs.
    Bei Tageslicht wäre das für jeden Cenarier in der Burg offenkundig gewesen. Aber bei Nacht würden die cenarischen Soldaten einige Zeit brauchen, um zu begreifen, dass sie von einem fremdländischen Feind angegriffen wurden. Die cenarischen Soldaten würden erkennen, dass die Armbinden das waren, was die Khalidori benutzten, um einander zu identifizieren, aber es würde einige Zeit dauern. Jede neue Gruppe, die auf die Khalidori traf, würde es selbst herausfinden müssen.
    Kylar sah nur hundert Schritt entfernt eine weitere Barkasse den Fluss heraufkommen. Khalidorische Hochländer waren in der Regel breiter gebaut als die meisten anderen Khalidori, und während einige wenige freie Stämme sich noch in den Bergen hielten, waren jene, die das Reich geschluckt hatte, zu seinen gefürchtetsten Kämpfern geworden.

    Vier- oder fünf hundert Hochländer. Kylar konnte es nicht erkennen, aber er vermutete, dass auch die andere Barkasse gefüllt war mit Elitesoldaten. Wenn dem so war, hatte Khalidor die Absicht, die Burg in dieser Nacht einzunehmen. Der Rest des Landes würde zusammenbrechen wie ein Körper, den man seines Kopfes beraubt hatte.
    Mehrere Hexer unterhielten sich, während sie die Serpentinenstraßen vom Wasser zur Brücke hinaufstiegen. Sie betrachteten den Himmel über der Burg und hielten anscheinend Ausschau nach irgendeinem Zeichen.
    Unentschlossenheit ließ Kylar erstarren. Er musste entweder hineingehen, um Logan zu retten - gewiss würde Roth ihn und all die Herzöge entweder von Hu oder von Durzo töten lassen, insbesondere, da sein Freund nach den vielen Kämpfen, die er bei seinem Vater in der Garnison von Schreiende Winde ausgefochten hatte, mit minderen Gegnern fertigwerden konnte. Und genauso gewiss würden die Morde bald begangen werden, wenn es nicht bereits geschehen war. Kylar konnte hineingehen und versuchen, die Attentate zu verhindern, oder er konnte versuchen, sich den Khalidori hier draußen in den Weg zu stellen.
    Ganz allein? Wahnsinn.
    Aber es machte ihn wütend, nur zu beobachten, wie die Barkasse sich der Brücke näherte. Er wusste, dass er keine Loyalität für Cenaria hegen sollte, aber er fühlte sich Logan und Graf