Der Weg in Die Schatten
setzte.
Durzo blies in das Blasrohr. Der Pfeil traf den Magier in den Oberschenkel.
Er sah ein kurzes Aufblitzen von Ärger auf den Zügen des Mannes. Der Magier streckte die Hand nach seinem Schenkel aus - und wurde von einem Dienstboten, der für die Sa’kagé arbeitete, angerempelt. »Entschuldigung, Herr. Noch etwas Wein?«, fragte der Mann den Magier und riss den Pfeil heraus. Er war gut. Mit solchen Händen musste er einer der besten Taschendiebe der Stadt sein. Aber natürlich würde Roth nur die Besten benutzen.
»Mein Kelch ist voll, du Idiot«, sagte der Magier. »Du sollst den Wein servieren, nicht trinken.«
Durzo richtete sich auf und kletterte das Seil hinauf, was bei Seide nicht leicht war. Als er den Balken erreichte, gönnte er sich ein wenig Ruhe. Er hatte keine Ahnung, ob der König den Wein getrunken hatte oder nicht. Aber er hatte seinen Teil getan. Das Einzige, was ihm jetzt übrigblieb, war zu warten.
52
»Dann trinkt, bis Ihr blind werdet«, sagte Agon. Es kümmerte ihn nicht, ob der König ihn gehört hatte. Es kümmerte ihn nicht, ob der König ihn tötete.
Gerade als ich dachte, ich könnte mit diesem Bastard fertigwerden. Er entwürdigt seine eigene Tochter und beschämt einen Mann, der alles, was er liebt, gegeben hat, um dem Thron zu dienen.
Agon hatte es geschafft, den König durch die Heirat von Logan Gyre und Jenine Gunder zu lotsen, aber dem König war die Idee verhasst gewesen. Er war eifersüchtig auf Logans Aussehen und Intelligenz, eifersüchtig, weil die Menschen seine Entscheidung so deutlich guthießen, und wütend, weil Jenine aufgeregt gewesen war, Logan zu heiraten, statt sich nur zu fügen.
Aber wenn Agon in seinen zehn Jahren, die er diesem Höllengezücht gedient hatte, etwas von Wert ausgerichtet hatte, dann war es der Umstand, dass er den König dazu überredet hatte, Logan zum Kronprinzen zu ernennen.
Nicht dass Logan ihm jemals verzeihen würde, aber es war
zum Wohle des Reichs. Manchmal verlangte die Pflicht von einem Mann, Dinge zu tun, die zu vermeiden er fast alles getan hätte. Es war Pflichtgefühl gewesen, das Agon genötigt hatte, Aleine IX. zu dienen, und nichts anderes als Pflichtgefühl. Wie Agon war Logan kein Mann, der sich vor seiner Pflicht drückte, aber wie auch in Agons Fall bedeutete das nicht, dass es ihm gefallen musste.
Logan würde Agon wahrscheinlich für den Rest seines Lebens dafür hassen, aber Cenaria würde einen guten König bekommen. Mit Logans Intelligenz, Beliebtheit und Integrität konnte das Land vielleicht sogar mehr werden als eine Höhle von Dieben und Mördern. Agon war bereit, den Preis zu zahlen, aber es lag ihm schwer im Magen. Er hatte sich mit Logans Augen gesehen - und begriffen, dass er sich einem Schicksal verschrieben hatte, das er niemals aus freien Stücken gewählt hätte. Er hatte den Ausdruck auf Serah Drakes Gesicht gesehen. Logan würde den Rest seines Lebens mit der Schuld dieses Verrats leben müssen. Agon war an diesem Abend kaum imstande gewesen, sein Essen anzurühren.
Der König kippte den Rest seines Weins herunter. Die Adligen schwatzten noch immer miteinander. Es war nicht das angenehme Summen von Gesprächen, wie sie am Mittsommerabend üblich waren. Ihr Tonfall war gedämpft, ihre Blicke waren verstohlen. Jeder hatte eine Meinung darüber, was der König tat, warum er einen Erben ernennen und ihn im gleichen Atemzug beleidigen sollte.
Es war Wahnsinn.
Langsam tauchte der König aus seinen Tränen und seinem Schweigen auf. Er sah sich mit hasserfüllten Augen in der Großen Halle um. Seine Lippen bewegten sich, aber Agon musste sich dicht zu ihm vorbeugen, um zu verstehen, was er sagte. Es
überraschte ihn nicht zu hören, dass der König Flüche murmelte, einen nach dem anderen; er faselte und faselte, vernunftlos in seinem Zorn.
Dann brach der König in Gelächter aus. Sofort legte sich wieder Stille über die Halle, und der König lachte noch lauter. Er deutete auf einen der Edelleute, einen bescheidenen Grafen namens Burz. Alle Anwesenden folgten dem Finger des Königs und starrten Graf Burz an.
Der Graf versteifte sich und wurde rot, aber der König sagte nichts. Seine Aufmerksamkeit irrte ab, und er begann abermals vor sich hin zu fluchen. Die Adligen starrten Graf Burz noch lange Augenblicke an, dann sahen sie zum König.
Und dann erhob sich Kanzler Stiglor, der am Kopf des Tisches saß, und rief: »Es ist etwas im Essen!« Der Kanzler schwankte und fiel zurück auf den Stuhl,
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