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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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fragte: »Was ist es, was Ihr von uns wollt, Master Tofusin?«
    Es war eine rüde Frage einem Gast gegenüber, schlimmer gemacht durch die Tatsache, dass sie ihn wie einen Gemeinen angesprochen hatte. Solon hatte darauf gezählt, dass die Höflichkeit der Gyres ihm lange genug Zeit geben würde, um genau diese Frage zu enträtseln. Er hatte gedacht, dass er einfach beobachten und abwarten konnte, dass er jedes Mahl mit den Gyres zusammen einnahm und dass man ihm drei oder vier Wochen vergönnte, bevor er seine Pläne bekanntgab. Er dachte, dass er den Jungen vielleicht mögen könnte, aber diese Frau, bei allen Göttern! Da wäre er vielleicht mit der jadwinschen Verführerin besser dran.
    »Mutter, meinst du nicht, dass du ein wenig -«
    Sie sah ihren Sohn nicht einmal an; sie hob lediglich die Hand in seine Richtung und musterte Solon ohne einen Wimpernschlag.
    So liegen die Dinge also.
    Logan war nicht nur ihr Sohn. Obwohl er nur ein Junge war, war Logan auch Catrinna Gyres Lord. In dieser verächtlichen Geste las Solon die Familiengeschichte. Sie hob die Hand, und ihr Sohn war noch jung genug, noch unerfahren genug, dass er in Schweigen verfiel wie ein guter Sohn, statt sie zu bestrafen wie ein guter Lord. In dieser Verachtung und in der Verachtung, mit der sie ihn gegrüßt hatte, sah Solon, warum Herzog Gyre seinen Sohn für die Zeit seiner Abwesenheit zum Lord Gyre ernannt hatte. Der Herzog vertraute nicht darauf, dass seine eigene Gattin fähig war zu regieren.
    »Ich warte«, sagte Lady Gyre. Die Kühle in ihrer Stimme besiegelte seine Entscheidung.
    Solon mochte Kinder nicht, aber er verabscheute Tyrannen.
Du verdammter Mistkerl, Dorian. »Ich bin hergekommen, um Lord Gyres Ratgeber zu sein«, erwiderte er mit einem warmen Lächeln.
    »Ha! Auf keinen Fall.«
    »Mutter«, wandte Logan ein, einen Anflug von Stahl in der Stimme.
    »Nein. Niemals«, erklärte sie. »Tatsächlich, Master Tofusin, möchte ich Euch bitten zu gehen.«
    »Mutter.«
    »Unverzüglich«, sagte sie.
    Solon rührte sich nicht, sondern hielt lediglich sein Messer und die zweizinkige Gabel - er war froh, dass er sich daran erinnert hatte, wie Cenarier diese Dinge benutzten - über seinen Teller und zwang sich, sich nicht zu bewegen.
    »Wann werdet Ihr Lord Gyre erlauben, sich zu benehmen wie Lord Gyre?«, fragte er sie.
    »Wenn er bereit ist. Wenn er älter ist. Und ich werde mich nicht von irgendeinem sethischen Wilden ausfragen lassen, der -«
    »Ist es das, was der Herzog Euch befohlen hat, als er seinen Sohn für die Dauer seiner Abwesenheit zum Lord ernannte? Lasst Logan Lord sein, sobald er bereit ist? Mein Vater hat mir einmal gesagt, dass hinausgezögerter Gehorsam in Wirklichkeit Ungehorsam sei.«
    »Wachen!«, rief sie.
    »Verdammt, Mutter! Hör auf damit!« Logan stand so abrupt auf, dass sein Stuhl hinter ihm zu Boden fiel.
    Die Wachen hatten Solons Stuhl schon fast erreicht. Plötzlich wirkten sie verunsichert. Sie sahen einander an, verlangsamten ihre Schritte und versuchten vergeblich, sich geräuschlos zu nähern, wobei ihr Kettenpanzer bei jedem Schritt klirrte.

    »Logan, wir werden später darüber reden«, sagte Catrinna Gyre. »Tallan, Bran, eskortiert diesen Mann hinaus. Sofort.«
    »Ich bin der Gyre! Rührt ihn nicht an!«, rief Logan.
    Die Wachen hielten inne. In Catrinnas Augen blitzte Zorn auf. »Wie kannst du es wagen, meine Autorität in Frage zu stellen! Du maßregelst deine Mutter vor einem Fremden? Du bist eine Schande, Logan Gyre. Du beschämst deine Familie. Dein Vater hat einen schrecklichen Fehler gemacht, als er dir vertraute.«
    Solon war übel, und Logan sah noch schlimmer aus. Er war erschüttert, geriet plötzlich ins Wanken und war drauf und dran, klein beizugeben. Die Schlange. Sie zerstört, was sie schützen sollte. Sie zerschmettert das Selbstbewusstsein ihres eigenen Sohnes.
    Logan sah Tallan und Bran an. Die Männer fühlten sich sichtlich unwohl, Logans Demütigung mit anzusehen. Logan schrumpfte in sich zusammen.
    Ich muss etwas tun.
    »Mylord Gyre«, sagte Solon, stand auf und zog aller Augen auf sich. »Es tut mir schrecklich leid. Ich möchte Eure Gastfreundschaft nicht missbrauchen. Auf gar keinen Fall möchte ich der Anlass zu Zwistigkeiten in Eurer Familie sein, und ich habe mich in der Tat vergessen und zu freimütig zu Eurer Mutter gesprochen. Ich bin nicht immer in der Lage... die Wahrheit der cenarischen Empfindsamkeit anzupassen. Lady Gyre, ich entschuldige mich für jedwede

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