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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ein einziges Mal, und das konnte er nur hier, wo er ganz allein war. Er blieb bis zum Abend.
    Den Adler sah er hoch in den Lüften schweben, und zur Zeit der sinkenden Sonne, als die Gipfel sich golden färbten und das Quellwasser wie ein Regenbogen schimmerte, kehrte der Raubvogel zu seinem Standplatz zurück. Er flog den Horst an, den er sich auf dem Gipfel südlich des Tals eingerichtet hatte, und äugte auf den Knaben herunter. Beute hatte er sich wohl mitgebracht, denn Harka sah und hörte ihn hacken.
    Die Nacht schlief Harka in der Grube, in der er vor dem Nachtwind geschützt war. Morgens erwachte er mit vor Kälte steifen Gliedern. Als er sich rührte und um sich sah, erblickte er den Adler, der sich auf dem Felsblock neben der Quelle niedergelassen hatte. Der Knabe warf ihm einen Teil seines Proviants hin, den der Raubvogel geschickt fing und sofort verschlang. Der Junge ging zu der Quelle und trank, und der Adler fühlte sich dadurch nicht im mindesten gestört. Er hatte seinen Freund wiedererkannt.
    Nachdem Harka sich noch in der Mittagssonne aufgewärmt hatte, ging er zu dem Felspfad, um abzusteigen, und diesmal blieb er einen Augenblick stehen, ehe er einbog, und warf noch einen Blick in das Tal zurück, das nun in der herbstlichen Unwirtlichkeit nur noch das Revier eines Adlers sein würde. Die Menschen mußten sich von hier zurückziehen, und noch ehe der Schnee fiel und die Winterstürme einsetzten, mußte sich selbst der Adler einen anderen Standplatz suchen.
    Der Knabe eilte hinunter. Er fand den Vater tief unten im Wald, mit den beiden Pferden, bei einem kleinen Feuer sitzend. Mattotaupa tadelte nicht, fragte auch nichts. Er schaute vor sich hin und beobachtete die kleinen Flämmchen, die er immer wieder vorsichtig mit Asche deckte. Als es dunkel geworden war, bat er Harka, bei den Pferden zu bleiben, bis er wieder zurückkehre. Dies könne zwei oder drei Tage dauern. Harka sah Mattotaupa zu, wie er einen Pfeilschaft mit dem Messer kerbte. Der Verbannte schnitt Vierecke hinein, sein Zelt- und Zauberzeichen. Jedermann in der Bärenbande würde wissen, daß dieser Pfeil Mattotaupas Pfeil war. Er hatte eine Knochenspitze mit Widerhaken, wie ein Kriegspfeil.
    »Dieser Pfeil tötet Alte Antilope«, sagte der Vater. Dann brach er zu Fuß auf.
    Als am zweiten Morgen danach die Dämmerung über den Zelten der Bärenbande graute, schien alles ruhig und friedlich. Die Wasser des Pferdebaches glitten in einem Rinnsal dahin. Einige Mustangs mühten sich, auf den dürren Wiesen, soweit sie nicht abgebrannt waren, Futter zu finden. Die Zelte waren noch geschlossen, und noch war keine der Frauen unterwegs, um Wasser zu holen, keiner der Knaben am Fluß, um sich zu reinigen und zu erfrischen.
    Die Schläfer in den Zelten begannen eben erst aufzuwachen. Uinonah schaute nach Untschida, die sich als erste erhob. Da kreischte jemand in einem der Zelte. Uinonah erschrak und erkannte, daß auch Untschida zusammengefahren war. Schonka und Harpstennah fuhren aus den Decken, als ob ein Kriegsruf erschallt sei.
    Scheschoka wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
    Hinter Untschida und Schonka lief auch Uinonah aus dem Zelte auf den Dorfplatz, um zu erfahren, was geschehen sei. Vor dem Zelt, das Alte Antilope mit seinen jüngeren Söhnen bewohnte, standen schon einige Männer, die die Frauen zurückdrängten. Der Alte Rabe wurde gerufen und ging in das Tipi hinein. Er blieb einige Zeit darin, dann kam er schweigend heraus und holte den Zaubermann. Als Hawandschita das Zelt betrat, war schon der ganze Dorfplatz voll wartender Menschen. Aber keiner, der in dem Zelt gewesen war, sprach über das, was er gesehen hatte, und so blieb noch alles im Ungewissen.
    Endlich kam Alte Antilopes ältester Sohn herbei, der schon die Kriegerwürde besaß, und begab sich in das Tipi, in dem sich auch der Zaubermann noch befand. Nach geraumer Zeit trug er einen Toten heraus. Der Tote war Alte Antilope. In seiner Brust steckte ein Pfeil, der Schaft war eingekerbt. Jeder wußte sofort, daß es Mattotaupas Pfeil war, der den Mann getroffen hatte. Aber wie dies geschehen sein konnte, vermochte sich noch niemand zu erklären. Als der jüngste Sohn aufgewacht war, hatte er den Vater mit dem Pfeil in der Brust auf dem Lager liegen sehen, als ob er noch schlafe, und der Knabe hatte vor Schreck aufgeschrien.
    Die Frauen und Kinder wurden in die Zelte geschickt, und die Männer suchten Spuren. Sie suchten den ganzen Tag. Als es Abend wurde, erfuhren

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