Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Das Versprechen Mattotaupas gegenüber den weißen Männern war erfüllt. Er hatte sie aus der Sandwüste hinaus bis auf bewohnbares Land geführt: Sie konnten sich leicht selber weiterhelfen. Nach den Beschrei- bungen, die Tobias gegeben hatte, befand sich die Handelsstation des zahnlosen Ben nur zwei Flußwindungen weiter ostwärts. Der Aufbruch Mattotaupas und Harkas wurde nur von wenigen bemerkt. Tobias sagte nichts dazu. Tom lief den beiden Dakota noch nach und fragte, ob sie ihm nicht das gestickte Mädchenkleid abgeben wollten, das sie bei sich hatten. Er habe genug von der Prärie, wolle in der Stadt einen kleinen Laden mit indianischen Raritäten aufmachen. Die beiden Dakota beantworteten diese Anfrage nicht, und Tom blickte den Davonreitenden bedauernd nach.
    Mattotaupa und in seiner Spur Harka lenkten die Tiere flußabwärts. Es schien Mattotaupas Absicht zu sein, Bens Blockhaus zu besichtigen. Flußaufwärts zu reiten war jetzt auch sinnlos und Selbstmord, da man in dieser Richtung, ebenso wie im Süden, in den Flugsand gelangte. Nordwärts, den Black Hills zu, lagen die Kerngebiete des Dakotalandes, das Mattotaupa nicht mehr betreten sollte und daher nur unter ständiger Todesdrohung betreten konnte. So blieb zunächst der Ritt ostwärts, in Richtung des Blockhauses. Was weiter werden sollte, war noch nicht entschieden, oder es war die Entscheidung jedenfalls noch nicht ausgesprochen. Harka wußte auch nicht, wohin die Gedanken des Vaters sich in den letzten Tagen gewandt hatten und wo er den bevorstehenden Winter nun endgültig zu verbringen gedachte.
    Die Mustangs waren zäh. Nachdem sie wieder saufen und am Büschelgras rupfen konnten, trugen sie ihre Reiter mit gewohnter Schnelligkeit bald im Schritt, bald im Galopp voran. Nachmittags kündigte sich die Nähe des Blockhauses an. Die Indianer rochen zuerst den Rauch, dann eine Fülle anderer Gerüche, die auf eine Ansammlung von Menschen und Tieren schließen ließen. Der leichte Ostwind brachte sie mit. Allmählich häuften sich die Fährten, denen die beiden Reiter begegneten. Endlich gewannen sie auch den Überblick über die Handelsstation. Das Blockhaus war fertiggestellt, von einem festen Dach geschützt und gut geteert. Der Eingang war von Westen her nicht zu sehen, wohl aber eine Umzäunung an der südlichen Schmalseite des Hauses. In der Umzäunung standen Pferde, gesattelte und ungesattelte. Das Haus war für die beiden Indianer schon in Hörweite. Sie vernahmen Hundebellen.
    Mattotaupa betrachtete die Handelsstation lange. Endlich setzte er sein Tier wieder in Bewegung und ritt hin. Harka folgte ihm.
    Als die beiden Reiter näher kamen, rannten ihnen sechs Hunde bellend entgegen. Es waren Hunde, wie die weißen Männer sie zogen, groß, mit breiten Schlappohren; bis dahin hatte man diese Rasse der Bluthunde zum Bewachen und Wiedereinfangen von Sklaven benutzt. Die Indianer kümmerten sich nicht um das Gebell, und die Hunde, sich selbst über- lassen und nicht aufgehetzt, dachten nicht daran zu beißen. Mattotaupa schien es nicht oder noch nicht für angebracht zu halten, die Pferde in die Umzäunung zu geben. Er ritt mit Harka um Blockhaus und Zaun herum, musterte die Tiere, die hier untergebracht waren, und horchte auf das Durcheinander vieler Stimmen, die ­ durch die Wände gedämpft ­ aus dem Hause herausdrangen. Er betrachtete die Weißen und die Indianer, die sich an dem milden Herbsttag östlich des Blockhauses, in der Nähe des Flusses gelagert hatten, um ihre Handelsgeschäfte abzuschließen und Branntwein zu trinken. Der zahnlose Ben war als ein behender Wirt sofort herauszuerkennen. Mattotaupa und Harka hielten an. Man hatte ihnen bisher kaum Beachtung geschenkt. Tagtäglich ritten hier Fremde ein und aus. Aber sie selbst hatten eine Beobachtung gemacht, über die sie jetzt sprechen wollten.
    »Hast du die beiden Pferde und die Maultiere gesehen?« fragte Mattotaupa.
    »In der Umzäunung, ja. Langspeer und Weitfliegender Vogel Gelbbart sind hier!« Aus Harkas Stimmklang sprach eine frohe Erwartung.
    »Sie haben ihre Pferde und ihre Maultiere hier. Vielleicht sitzen sie im Blockhaus.«
    Mattotaupa und Harka zögerten nun nicht länger, auch ihre Mustangs in die Umzäunung zu bringen. Dann traten sie in das Blockhaus ein.
    Der Innenraum des Hauses war nicht unterteilt; er bildete einen einzigen Raum. An der westlichen Breitseite war ein Türrahmen eingebaut. Hier sollte wohl noch ein Anbau angebracht werden, vermutlich für

Weitere Kostenlose Bücher