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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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bei einem Zirkus wohl nicht an«, sagte er zu Ellis, mit einer vernichtend-verächtlichen Handbewegung. Er vollführte die geplante scharfe Wendung, nahm Cate fester an der Hand und zuckte zusammen, als das Kind niesen mußte. Es hatte sich erkältet, und er war daran schuld. Tante Betty würde darüber ohne Zweifel eine Bemerkung machen.
    Der junge Indianer hatte eine ebenso scharfe und bewußt unhöfliche Wendung gemacht wie Smith und ging nach der anderen Seite weg, ohne sich noch einmal umzusehen. Ellis wuchs auf wie eine Ziehharmonika, die wieder Luft bekommt, und schrie hinter Harry her:
    »Das kommt zu dem übrigen! Nach der Vorstellung mach dich auf was gefaßt!«
    Smith ging so schnell, daß das kleine Mädchen Cate trappeln mußte. Trotzdem fragte sie, noch ehe das Zelt erreicht war:
    »Papa?«
    »Ja, Kind?« Smith mäßigte seinen Schritt etwas. »Hast du gehört? Der böse Mann will den Indianerjungen bestrafen, weil er uns die Wahrheit gesagt hat, daß er nämlich nicht Sitting Bulls Sohn ist!«
    »Darum mache dir keine Sorgen, Kind. Indianer haben ein dickes Fell. Die spüren das viel weniger, wenn sie Prügel bekommen, als du.«
    Daß Kinder mit Prügel bestraft würden, war Smith wie Cate eine selbstverständliche Vorstellung. Sie ahnten beide nicht, daß Indianerkinder von ihren Eltern nie geschlagen wurden.
    »Papa!«
    »Was noch, Kind?« Smith wurde schon ein wenig ungeduldig.
    »Papa, kannst du nicht dem bösen Mann verbieten, daß er den Indianerjungen schlägt? Ein Kind soll doch immer die Wahrheit sagen. Das ist doch richtig!«
    »Komm jetzt, Cate. Ich kann dem Mann nichts verbieten, und Indianer sind schlechte Menschen. Für irgend etwas verdienen die immer ihre Prügel.«
    »Vielleicht ist es aber doch ungerecht, Pa!« sagte Cate ganz leise. Cate betrachtete den großen Indianerjungen nicht mehr als Angehörigen eines Volkes, das ihre Großmutter getötet hatte, sondern als ein Kind, das ungerecht behandelt wurde; sie fühlte sich mit ihm solidarisch, weil Frank Ellis irgend etwas an sich hatte, was Cate an Tante Betty erinnerte. Obgleich Smith von Haß gegen die Indianer besessen war, teilte er bis zu einem gewissen Grade das Gerechtigkeitsempfinden seines Töchterchens und bemerkte zu des Kindes und seiner eigenen Beruhigung, sich zu ihr niederbeugend:
    »Der Vater des Indianerbengels gehört zum Zirkus. Also brauchen wir uns nicht einzumischen, haben auch gar kein Recht dazu.«
    Als der Vater und seine kleine Tochter die Loge wieder erreichten, war die nächste Nummer schon im Gange; eine neue Trapezgruppe zeigte ihre Kunst. Smith setzte sich auf seinen Stuhl Nummer 3 in Loge 7. Aber er sah weder Tante Betty noch das Trapez, noch die drei scharf beobachtenden Herren. Er vergaß sogar Cate und sah, ganz sich selbst und seinen Gedanken überlassen, nichts mehr als eine Vision: seine Mutter und dann die Flammen. Jetzt endlich hatte er diese indianische Mörderbande gefaßt. Er mußte sie verhaften lassen. Es war nur die Frage, wann. Noch in dieser Nacht oder erst am nächsten Morgen? Gemäß der Ankündigung wollte der Zirkus noch zwei Tage bleiben. Nach dem heutigen Erfolg wurde die Spielzeit in dieser Stadt wahrscheinlich verlängert Smith konnte mit der Polizeiinspektion die notwendigen Maßnahmen also in Ruhe besprechen und durchführen.
    Aus der Zirkuskuppel ertönten die Zurufe der Artisten. Einer machte den Salto in der Luft zwischen der Trapezstange, von der er sich abschwang, bis zu den Händen des Fängers, der, in den Kniekehlen hängend, mit der zweiten Trapezstange hin- und herschaukelte. Smith erkannte die Vorgänge um sich wieder. Sein Entschluß hatte die Phantasiebilder verscheucht.
    Während die Trapezkünste die Zuschauer entzückten, hatte sich Frank Ellis, begleitet von seinen zwei starken Wächtern, wieder in den Direktionswagen begeben. Er fand dort den Direktor selbst, der nicht so übler Laune wie sein Inspizient, aber doch sehr erregt schien.
    »Ellis!« rief der Direktor den Eintretenden gleich an. »Wir müssen uns klar werden, was wir wollen. Die Entscheidungen rücken näher. Die Bank hat einen guten Eindruck gewonnen, der Vertreter von B & B auch ­ ich weiß nicht, soll ich sagen leider oder Gott sei Dank, denn er berichtet der Bank zwar relativ günstig, aber er scheint das nur für sein eigenes Unternehmen ausschlachten zu wollen. B & B will uns, ohne Umschweife gesagt, fressen wie ein großer Hai einen guten Happen, und es fragt sich, ob wir uns im Magen des

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