Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
Vom Netzwerk:
Ungläubig starrte er auf das Geld, das Luca ihm zurückgegeben hatte. «Wir haben einen Deal! Hey, du! Hau doch nicht einfach ab!»
    Er lief los, packte Luca an der Schulter und drehte ihn unsanft zu sich um. Als ihre Blicke sich trafen, sah Bob, wie wütend Luca war. Luca griff mit beiden Händen nach Bobs Hand und riss sie von seiner Schulter.
    «Unser Deal war: bis zur Schneegrenze», sagte Luca unbeirrt und versuchte, ruhig zu bleiben. Seine Selbstsicherheit war beeindruckend. «Bezahlen Sie den anderen lieber ebenfalls ihren Anteil aus, vor allem dem Jungen, sonst sage ich ihm, wie viel die Laptops wert sind, die er trägt.»
    Ohne ein weiteres Wort drehte Luca sich um und setzte seinen Weg fort. Bei dem Sechzehnjährigen blieb er kurz stehen und drückte ihm einige Geldscheine in die Hand. Alle sahen ihm nach, als er weiterging und von einer Wolke verschluckt wurde, die sich gerade über den Grat schob.
    Als Erster brach Gygme das Schweigen. Er ging ein paar Schritte zur Seite, bis er neben Bob stand. «Nehmen Sie’s nicht zu schwer, Sir. Mr. Matthews hatte schon immer seinen eigenen Kopf. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand ihn umstimmen konnte. Schon gar nicht, wenn es um die Schneegrenze ging.»
    Bobs Miene wurde immer finsterer, als er begriff, was der Sherpaführer gerade gesagt hatte. «Matthews?», wiederholte er. «Luca Matthews, der englische Bergsteiger? Herr im Himmel, das war
Matthews
? Dann verstehe ich ihn erst recht nicht. Der Mann hat doch schon alles erklettert, was …»
    Bob verstummte mitten im Satz.
    Gygme nickte. «Luca Matthews, einer meiner besten Träger. Aber ich glaube nicht, dass er Bergsteiger ist. In seinem Land gibt es meines Wissens keine Berge, nur Hügel.»
    Gygme schulterte seine Last und setzte sich in Bewegung.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 4
    Nur drei Stunden später erreichte Luca das nächste Dorf. Ohne Gepäck und ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen, bewegte er sich gleichmäßig und schnell, und seine Füße fanden wie von allein festen Halt auf dem rutschigen Gebirgspfad.
    Als er das Dorf erreichte, wurde der Regen stärker. Der Himmel war inzwischen fast schwarz. In kleinen Strömen bahnte sich das Wasser seinen Weg über den schlammigen Boden und floss an einer Reihe verfallener Hütten vorbei, die im Halbkreis am Fuße des Bergs standen. Es war ein trauriger Anblick. Das einzige Lebenszeichen war der Rauch, der aus den Ritzen der Holzdächer quoll, ehe der Regen ihn verflüchtigte.
    Auf dem Dorfplatz blieb Luca stehen. Er schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ließ den Regen aufs Gesicht prasseln. Er spürte seinen Herzschlag und fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder lebendig.
    Er stand noch so da, als eine Tür knarrend geöffnet wurde und ein Bär von einem Mann mit eingezogenem Kopf unter dem niedrigen Türsturz ins Freie trat. Sein dichtes schwarzes Haar wurde unter den Ohren übergangslos zu einem ebenso dichten schwarzen Bart. Er sah zu Luca hinüber und kniff die Augen zusammen, wodurch sein Gesicht noch faltiger wurde. Dann führte er seine Zigarette zum Mund und sog so heftig daran, als wollte er sie in einem Zug aufrauchen.
    «Ich kenne den Witz von den Engländern in der Mittagssonne, aber ich wusste nicht, dass sie auch bei strömendem Regen rausgehen.»
    Luca öffnete die Augen und sah erstaunt in die Richtung, aus der die Stimme kam. «René», sagte er dann und lächelte überrascht. «Was machst du denn hier?»
    Auch René lächelte und blickte zum Himmel auf. «Wenn du dich überwinden kannst, ins Trockene zu kommen, erzähl ich’s dir. Oder fühlst du dich da draußen in deinem Element?»
    Luca lachte, schüttelte den Kopf und ging auf die offene Tür zu. Bei jedem Schritt versanken seine Füße im Schlamm. Noch ehe er die kleine Veranda betrat, schloss René ihn in seine riesigen Arme.
    «Du warst schon immer ein verrückter Hund», sagte er und drückte den jüngeren Mann von sich weg, um ihn besser ansehen zu können. Durch mehrere Lagen Kleidung hindurch spürte er, wie dünn Luca geworden war, er bestand nur noch aus Knochen, Sehnen und Muskeln. Am ganzen Körper hatte er kein Gramm Fett.
    «Du siehst gut aus», log René mit Blick auf Lucas eingefallene Wangen und seinen struppigen Bart. «Seit wann treibst du dich in dieser gottverlassenen Gegend rum? Du riechst sogar schon wie eine Bergziege.»
    Er führte Luca in die kleine Hütte, nahm ihm die Jacke ab und zeigte auf eine niedrige Holzbank in der

Weitere Kostenlose Bücher