Der Weg ins Dunkel
Privatjet nach Afrika gekommen und von einer Entourage umgeben war, die ihm rund um die Uhr jeden Wunsch von den Lippen ablas, war es eine weite und ermüdende Reise von Shanghai nach Goma. Zudem vertrug Kai eigentlich weder hohe Luftfeuchtigkeit noch große Hitze. Aber Xies Nachricht war sehr eindringlich gewesen. Kai müsse persönlich kommen. General Jian sei kaum noch Herr seiner Sinne und habe die Situation nicht mehr unter Kontrolle, außerdem habe er Kais Befehle missachtet und diesem Provinzrebellen Mordecai zwei Milliarden überwiesen. Und nun verlangte er sogar noch mehr.
Der Konvoi bog in die lange Einfahrt der Kolonialvilla ein und hielt an einem alten Springbrunnen, der schon lange außer Betrieb war. An der Haustür standen bereits vier schwarze Bedienstete in blitzsauberen weißen Uniformen und daneben Xie. Selbst in der Dunkelheit war er an seiner unterwürfigen Haltung zweifelsfrei zu erkennen. Als die Wagentüren geöffnet wurden, schlurfte er darauf zu, um Kai zu begrüßen.
«Es ist eine große Ehre, dass Sie gekommen sind», sagte er und verbeugte sich tief.
Kais Augen wirkten riesig hinter den dicken Brillengläsern. Erst als er sich ins Licht bewegte, war auch sein von Falten zerfurchtes Gesicht zu sehen, wobei es seine Stirnfalten waren, die ihn stets schlechtgelaunt wirken ließen. Er protestierte, als der Arzt ihm in den Rollstuhl half und eine Wolldecke über seine spindeldürren Beine legte. Dann trommelte er ungeduldig mit den Fingern auf seine Armlehnen, ehe er ruckartig den Kopf hob.
«Ich bin höchst unzufrieden mit dem, was hier vorgeht», sagte er. «Bringen Sie mich unverzüglich zum General!»
Xie verbeugte sich erneut, dieses Mal noch tiefer, und Kai wurde ins Haus geschoben. Die in Zivil gekleideten chinesischen Soldaten flankierten seinen Rollstuhl auf beiden Seiten. Sie sahen fit und athletisch aus und mussten kleine Schritte machen, um nicht schneller als der Rollstuhl zu sein. Der vorderste war der Kommandant der Einheit. Mit schnellen Blicken erfasste er die ganze Umgebung, die Einrichtung und die Türen, die von dem schwach beleuchteten Flur abgingen, und trat als Erster auf die Veranda, wo General Jian mit verschränkten Armen stand und seine Landsleute erwartete.
«Es ist mir eine Ehre», sagte er tonlos und verbeugte sich zackig, als Kai herangeschoben wurde.
«Warum wollten Sie unbedingt, dass ich herkomme?», fragte der alte Mann und richtete den Zeigefinger aggressiv auf Jian.
«Da irren Sie sich. Nicht ich habe Sie herbestellt», erwiderte Jian und sah in Xies Richtung.
«Nein, aber es ist Ihr Vorgehen, das mein Kommen erforderlich macht», fauchte Kai und beugte sich so ungestüm aus dem Rollstuhl, dass er den Schlauch ein Stück weiter aus der Sauerstoffflasche ziehen musste. «Sagen Sie, General, auf wessen Befehl hin haben Sie unseren gesamten Etat für die Mine anweisen lassen? Ein Beschluss dieser Tragweite kann nur von den Gremien der Gilde gefasst werden und obliegt nicht dem Gutdünken eines einzelnen Mitglieds.»
«Dafür war keine Zeit …»
«Unterbrechen Sie mich nicht! Sie haben das Doppelte des vereinbarten Betrags überwiesen und besitzen darüber hinaus die Frechheit, noch mehr zu verlangen?»
Jian antwortete nicht gleich. Stattdessen sah er die acht Bodyguards an, die Kai flankierten, und fragte sich, warum es so viele waren. War es lediglich der Tatsache geschuldet, dass der Vorsitzende der Gilde in eine so gefährliche Region wie den Kongo reiste, oder hatte es einen ganz anderen Grund? Vielleicht fanden sie, dass das Gift nicht schnell genug wirkte, und wollten das Ganze ein wenig beschleunigen. Jian wandte sich wieder Kai zu und sagte: «Ich habe die Grundlage dafür gelegt, dass China der Welt ein völlig neues Telekommunikationssystem präsentieren kann, und jetzt ist es mir im Handstreich gelungen, uns den Zugriff auf die begehrtesten Rohstoffe im Kongo zu sichern.» Er lächelte angespannt. «Daher hätte ich erwartet, dass Sie mich beglückwünschen, statt mich zu kritisieren.»
Kai wollte etwas sagen, aber Jian war noch nicht fertig.
«Ich nehme an, dass Ihr Handlanger Ihnen finstere Geschichten über mich erzählt hat, doch Sie sollten Ihr Augenmerk lieber darauf richten, was für ein außerordentlich profitables Geschäft ich in die Wege geleitet habe. Ich habe dafür gesorgt, dass unsere Interessen in Bezug auf die Rohstoffe dieses Landes nicht nur gewahrt werden, sondern dass wir sie autonom verfolgen können.»
Das
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