Der Weg ins Dunkel
und riefen den Kellnern Bestellungen für Drinks zu. Luca holte die Nachricht aus dem Umschlag, las sie und faltete das Blatt dann zusammen.
Sie kam von Joshua, der im Krankenhaus lag und ihm mitteilte, dass der behandelnde Arzt grünes Licht für ihre Abreise gegeben hatte. Joshua hatte sogar schon die Abendmaschine nach England gebucht. In nur neun Stunden würden sie beide an Bord gehen.
Immer wieder hatte er sich klargemacht, dass seine Zeit mit Bear bald vorbei sein würde, aber nun hatten sie bereits drei Tage in diesem Hotelzimmer verbracht und es nur kurz verlassen, wenn sie Hunger hatten. Zeit hatte für sie keine Rolle gespielt, vielmehr waren die Tage und Nächte zu einer unterschiedslosen Einheit verschmolzen. Sie hatten sich in den frühen Nachmittagsstunden geliebt, spät in der Nacht miteinander geredet – oder umgekehrt. Es hatte keine Rolle gespielt, wann was geschah. Auch sonst hatte nichts eine Rolle gespielt. Sie waren sich gegenseitig zum Mittelpunkt der Welt geworden, und in dieser Welt hatten sie sich verloren.
Seit sie in diesem Hotel eingecheckt hatten, war Luca klar gewesen, dass Bear die Sorte Mensch war, der sich ganz und gar hingab – wenn er sich denn hingab. Es lag in ihrer Natur, nichts zurückzuhalten, nichts auszulassen, sondern alles zuzulassen und sich vollkommen zu öffnen.
Als sie am ersten Abend das Licht löschten, hatte sie
«Je t’aime»
in Lucas Ohr geflüstert. Ich liebe dich. Wieder und wieder hatte er sich diese Worte ins Gedächtnis gerufen. Es klang so einfach – wie eine simple Tatsachenfeststellung und nicht wie ein komplizierter Gefühlszustand. Am nächsten Morgen hatte er zu ihr dann dasselbe gesagt.
Nun aber änderte Joshuas Nachricht alles. Die Welt, die Bear und Luca für sich erschaffen hatten, ging einem jähen Untergang entgegen. Ihnen blieben nur noch wenige Stunden.
Luca schaute in den Frühstücksraum, der sich langsam leerte. Er ging hinein, nahm sich einen großen Teller und hinderte die Kellner daran, die Silbertabletts mit dem letzten Rührei und den letzten Speckscheiben unter den Wärmelampen abzuräumen. Auch die Kaffeekanne nahm er mit und ging aufs Zimmer zurück.
Bear wachte auf, als er den Teller auf den Nachttisch stellte und wieder ins Bett kam. Sie gähnte und streckte sich, dann schmiegte sie sich an ihn, legte sich auf ihn und verschränkte die Arme auf seiner Brust. Einen Moment lang sah sie ihn nur an, dann beugte sie sich vor und küsste ihn.
«Immer hast du Hunger», flüsterte sie.
Luca lächelte, aber Bear spürte seine Zurückhaltung.
«Was ist passiert?», fragte sie.
«Ich habe gerade eine Nachricht von Josh erhalten. Die Ärzte sagen, er ist fit genug, um abzureisen.»
«Aber die Chemo und die Strahlentherapie …»
«Das will er alles in England machen lassen. Der Tumor ist noch nicht sehr groß, und sie sagen, dass er gute Chancen hat, wenn mit der Behandlung schnell begonnen wird.»
Bear schloss die Augen. «Das bedeutet, du reist ab.»
«Heute Abend um acht.»
Luca hob den Kopf und küsste sie, und sie erwiderte den Kuss, aber als sie sich wieder voneinander lösten, sah er, wie traurig sie war – traurig und resigniert, weil nun eingetreten war, was sie längst erwartet hatte.
«Und wenn ich meinen Flug auf ein späteres Datum umbuche?», sagte Luca. «Ich könnte noch etwas bleiben.»
«Das würde nichts ändern», sagte Bear leise. «Die Frage ist, wie es überhaupt weitergehen soll.»
Sie legte Luca die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. «Ich meine, was ich gesagt habe, Luca.
Je t’aime.
»
«Ich weiß. Aber wissen wir, ob das hier die Realität ist? Wissen wir, wie lange das Gefühl anhält, das wir jetzt haben? Ob es nicht nur etwas Vorübergehendes ist?»
Bear sah Luca ernst an. «Ich weiß es, Luca. Ich bin Afrikanerin, und ich fühle es in meinem Herzen, wenn ich jemanden liebe.» Sie nahm seine Hand und drückte sie an ihre Brust. «Da fühle ich es, wenn ich jemanden liebe. Sogar wenn der andere mich nicht liebt.»
Luca umarmte und küsste sie. «Aber ich tu’s», sagte er dann. «Ich liebe dich.»
Bear starrte düster vor sich hin, als Luca mit ihrem Haar spielte, dann schüttelte sie den Kopf und sagte kaum hörbar: «Ich habe einen Sohn, Nathan. Er wartet in Kapstadt auf mich. Meine ganze Familie lebt da. Das ist mein Leben, Luca.» Sie sah ihm in die Augen. «Das kann ich nicht einfach ignorieren.»
Luca sah sie an und wusste, was sie tun mussten, aber der
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