Der Weg ins Dunkel
Ländern gehandhabt wird, aber in England kriegt nicht jeder Dahergelaufene einen Schlüssel zu diesen Depots.»
Bear trommelte nervös mit ihrem Stift auf den Schreibtisch. «Wenn wir mal bei den Ländern bleiben …», überlegte sie laut weiter. «Die einzigen, die Coltan in größerem Stil fördern und
nicht
von diesen Explosionen heimgesucht wurden, sind der Kongo und China. Und ich kann mir schlecht vorstellen, dass die Jungs in Kinshasa kiloweise C- 4 horten.»
«Keine voreiligen Schlüsse, Bear!», mahnte Cooper. «Die nächste Explosion könnte in China stattfinden. Vielleicht schneit dir der entsprechende Unfallbericht schon nächste Woche auf den Schreibtisch.»
«Möglich», räumte Bear ein. «Aber wenn nicht, wissen wir, dass die Chinesen dahinterstecken. Ihre sogenannte Volksbefreiungsarmee hat die Finger in allen möglichen nicht militärischen Unternehmungen. Vielleicht stecken die ja mit einer ihrer großen Minengesellschaften unter der Decke und sorgen dafür, dass die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe schießen.»
Cooper stöhnte auf. «Ich hatte ganz vergessen, wie schnell du mit Theorien bei der Hand bist, die dir in den Kram passen. Aber hör zu, Bear! Wenn es tatsächlich die Chinesen sind, die hinter diesen Minenexplosionen stecken, kann ich dir nur raten, die Finger davonzulassen. Ich weiß, dass du dich gern wie ein Pitbull in deinen Job verbeißt, aber du solltest dich davor hüten, den Chinesen in die Quere zu kommen.»
Bear lächelte gerührt. Cooper versuchte immer noch, auf sie aufzupassen, obwohl sie inzwischen eine erwachsene Frau war und einen Job hatte, der sie an einige der gefährlichsten Orte der Welt führte. Sie wünschte, ihr Vater wäre um sie nur halb so besorgt gewesen.
«Danke, Coop», sagte sie. «Du hast was bei mir gut.»
«Quatsch, Bear, du schuldest mir gar nichts, außer ein Essen mit mir und meinen Mädels, wenn du das nächste Mal in der Gegend bist. Die drei vermissen dich. Und, Bear … hör ein einziges Mal im Leben auf ein altes Schlachtross wie mich: Bring dich bitte nicht in Gefahr!»
«Versprochen.
Merci beaucoup.
» Lächelnd beendete Bear das Gespräch und sah auf die Wanduhr. Dann stand sie auf, steckte Portemonnaie und Handy in ihre Handtasche und zog ihre Schuhe wieder an. Sie wollte schon gehen, als sie aus dem Augenwinkel sah, dass sie gerade eine E-Mail bekommen hatte. Eigentlich wollte sie sie ignorieren, doch dann klickte sie sie doch an. Sie war aus einer kongolesischen Niederlassung über das sichere Intranet ihrer Minengesellschaft verschickt worden.
Beatrice,
wir brauchen Hilfe. Heute Morgen ist uns ein Mineral vorgelegt worden, das ich noch nie gesehen habe. Auch der Anbieter konnte mir nicht sagen, was es ist. Er weiß nur, dass es aus dem Norden kommt, genauer gesagt aus dem Ituriwald. Die Buchhaltung wird mich lynchen, weil das Zeug ein kleines Vermögen gekostet hat. Aber ich glaube, es hat sich gelohnt. Es scheint etwas ganz Neues zu sein.
Den ganzen Tag über haben wir Tests durchgeführt, und es sieht so aus, als könnte es sich um ein hochkonzentriertes Tantalit-Derivat handeln. Hältst du das für möglich? Eins kommt uns allerdings komisch vor: Normalerweise tritt Tantalit in Verbindung mit Columbit auf, aber das scheint hier nicht der Fall zu sein. Im Internet kann ich nichts darüber finden.
Kannst du in den nächsten Tagen nach Goma kommen? Ich will die Sache nicht an die große Glocke hängen, und dir eine Probe per Kurier zu schicken, wäre zu riskant. Lass dir den Trip von Kimberly genehmigen und sag mir, wann du kommst.
Pieter
Bear merkte, wie sie innerlich verkrampfte. Jemand ruinierte systematisch und weltweit die großen Coltanminen – und plötzlich tauchte ein konzentriertes Coltan-Derivat im Kongo auf. Da musste doch ein Zusammenhang bestehen!
Sie las die Mail noch einmal. Beim letzten Absatz bekam sie auch noch Magenkrämpfe. Warum ausgerechnet Goma? Diesen Ort mied sie wie der Teufel das Weihwasser. Aber nun sah es so aus, als würde sie nach all den Jahren dorthin zurückkehren müssen.
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Kapitel 9
General Jian beugte sich so tief über seinen riesigen Schreibtisch, dass er ihn beinahe mit dem Gesicht berührte. Ein einzelner Lichtstrahl drang durch eins der hohen Fenster und ließ sein weißes Hemd leuchten. Über ihm standen die Staubkörnchen, die der Lichtstrahl sichtbar machte, fast still. Der ganze Raum erinnerte an das längst vergessene Archiv im Keller eines
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